Eigentlich würde ich meine Energie lieber dafür verwenden, mit meiner Familie Zeit zu verbringen. Zeit ist nämlich bei uns ein knappes Gut und dessen sind wir uns bewusst. Ich komme jedoch nicht umhin, einen weiteren Artikel zum vorgesehenen Intensivpflegegesetz IPReG zu schreiben, obwohl ich in den sozialen Netzwerken eigentlich schon alles Wesentliche dazu gesagt habe. Warum dann die Mühe? Weil ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren könnte, mich diesbezüglich nicht eindeutig zu positionieren und dieses Unrecht anzuprangern.
Diese Zeilen dürften für einige aus den Reihen der CDU/CSU, insbesondere auch die Jüngeren unter Ihnen, schwer verständlich sein. Entschuldigen Sie bitte dieses Versäumnis. Begriffserklärung:
Gewissen
Ge·wis·sen - Substantiv, Neutrum [das]
Ethisch begründetes Bewusstsein von Gut und Böse
Eigentlich hätte ich Lust, den ganzen Entstehungsprozess dieses Gesetzes nochmal aufzuzeigen und das unerträglich arrogante Verhalten des Ministers Jens Spahn von der CDU. Allein die Interviews und Statements zu diesem Gesetzentwurf schreien zum Himmel und die Retrospektive zeigt, wie man hier agiert hat. Dies aufzuarbeiten ist selbst für meinen robusten Magen zu viel. Schon der erste Stapellauf des Referentenentwurfes hätte nach meinem Empfinden gereicht, um Jens Spahn wegen mangelnder Demut, mangelndem Respekt und fehlender Integrität die Amtseignung abzusprechen. Damit wäre er in Gesellschaft mit den Herren in meiner persönlichen „Hall of Shame im Amt“: Guttenberg, Scheuer, Maaßen und Dobrindt. Auch die Herren Rüddel, Laschet und Amthor eilen beachtlich flotten Schrittes Richtung dieser illustren Runde, in der sich jeder selbst am nächsten ist.
Ich weiß, es sind nicht alle so frei von gesellschaftspolitischer Haltung und Verantwortung. Wer aber nicht im Schatten derer stehen möchte, sollte mit seinem Gewissen sein Herz in die Hand nehmen und dem Mandat die nötige Ehre erweisen. Es ist ein Privileg, diesem Land dienen zu dürfen. Man muss Werte leben, wenn man glaubhaft sein will, das ist ein Muss, wenn man solch eine Macht und Verantwortung hat. Vielleicht bin ich da auch zu altbacken. Churchill sagte einmal: „Ich habe nichts zu bieten als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß“. Ich schweife schon wieder aus. Scusi. Zurück zum Gesetzentwurf.
Da das Geschreibsel mit den Augen äußerst anstrengend ist, beschränke ich mich somit auf das aktuelle Geschehen und trage mal zusammen. In meinem Blog finden Sie die weiteren Artikel zur Historie des Gesetzentwurfs.
Noch eines vorweg: Ich sehe durchaus den Bedarf, die außerklinische Intensivpflege weiter zu professionalisieren, die Qualität zu steigern und sicherzustellen und den Spielraum für schwarze Schafe zu reduzieren. Dies wird mit diesem Gesetz jedoch nicht erreicht werden. Es ist ein verquertes Gesetz entstanden, Flickschusterei, eine Verschlechterung im Vergleich zum Status quo bei der Inklusion von Mitbürgern mit Behinderung, ein Angriff auf Grundrechte und eine Diffamierung der gesamten ambulanten Intensivpflege, unter dem Radar der Öffentlichkeit, denn dafür gäbe es keine Zustimmung.
Jetzt aber zum aktuellen Geschehen. Der Gesetzentwurf ging am 27. Mai in die erste Lesung im Bundestag. Wie zu erwarten, hatte das Ganze wenig Tiefgang und die kritischen Details im Entwurf kamen nicht genügend raus, zumindest meiner Ansicht nach. In Summe kann man sagen, dass ausnahmslos alle Fraktionen gegen den Entwurf waren, sogar die SPD. An dieser Stelle meine aufrichtige Anerkennung an die SPD. Bravo. Jetzt gilt es den guten Willen in die Tat umzusetzen, liebe Genossinnen und Genossen, und sich nicht wieder von CDU/CSU glatt spülen zu lassen, Grundrechte sind keine Handelswaren. Sogar der AFD gelingt es bei diesem Gesetzentwurf eine liberalere und vernünftigere Haltung als die CDU/CSU einzunehmen. Spätestens an diesem Punkt sollte es der Union dämmern, dass hier was aus dem Ruder läuft und der Kahn Richtung rechtem Ufer läuft, mit Steuermann Jens auf der Brücke.
In dieser ersten Lesung plädierte lediglich die Union für den Entwurf und warb vorbehaltlos. Die Reden von Herrn Rüddel und Herrn Iristorfer waren oberflächlich, flach und für die Abgeordneten ohne Detailkenntnis hörte sich das zustimmungswürdig an. Ich finde, man hätte es noch ergänzen können mit Sätzen wie „Wir sind doch nicht blöd. Wir lieben doch alle Menschen, alle, auch Behinderte, und wir, die gute Union, setzen uns dafür ein. Niemand hat die Absicht, Mauern zu errichten. Das neue Gesetz wäscht weißer als Weiß. Just do it and support our troops!“
Am Folgetag twittert Erwin Rüddel Folgendes:
„Intensivpflege- und Reha-Gesetz (IPReG) auf gutem Weg. Endlich Wahlfreiheit [Daumen hoch] für Betroffene über den Ort der Versorgung.
Mehr Qualität [Daumen hoch] in der Versorgung.
Neue Lebensqualität [Daumen hoch] für Beatmungspatient durch mehr Engagement zur Entwöhnung von künstlicher Dauerbeatmung.“
Ich war im ersten Moment tief gerührt und geschüttelt, ergriffen und beeindruckt, dachte ich doch, die CDU hätte den Entwurf und ihr eigenes Verhalten reflektiert, den Entwurf angepasst und wahre Größe bewiesen. Dem war aber leider nicht so. Herr Rüddel lobpreist den aktuellen Entwurf trotz seiner unmenschlichen Regelungen. Eine völlig verklärte Darstellung des GKV-IPReG. In Herrn Rüddels Aufzählung fehlte meines Erachtens nur noch der Stopp der Klimaerwärmung ab sofort, Weltfrieden und die Speisung der Fünftausend.
Die CDU/CSU und Jens Spahn haben eine seltsame Definition von Wahlfreiheit. Laut Sachverständigen droht Betroffenen mit häuslicher Intensivpflege, dass diese zukünftig monatlich 2.000 bis 6.000 Euro privat zuzahlen müssen und in Folge dessen in kürzester Zeit zu Sozialhilfeempfängern gemacht werden und dadurch ins Heim genötigt zu werden, wo diese Kosten nicht in Rechnung gestellt werden. Das Gesetz will „Fehlanreize“ beseitigen. Wenn dies für die Union kein „Fehlanreiz“ ist, was ist es dann? Man muss hier unterstellen: Absicht.
In der öffentlichen Anhörung, welche nicht(!) öffentlich war, stellte Frau Westig folgende Frage an den Sachverständigen. Die Antwort habe ich angefügt. Quelle ist das offizielle Protokoll. Andere Experten äußerten sich ähnlich:
Abg. Nicole Westig (FDP): Meine Frage geht an den Einzelsachverständigen Sebastian Lemme und an die BAGFW. Aufgrund der zukünftigen Leistungsbeschränkung der Krankenkassen auf die Erstattung lediglich der Leistung der medizinischen Behandlungspflege übt das IPReG mittelbar einen gewaltigen wirtschaftlichen Zwang auf die Betroffenen aus, die aktuell in ihrer Häuslichkeit versorgt werden. Teilen Sie meine Befürchtung, dass Betroffene deshalb ihre Häuslichkeit aufgeben und in eine vollstationäre Versorgung wechseln müssen?
ESV Sebastian Lemme: Wir teilen Ihre Sorge. Wir sehen eine massive Verschlechterung der Leistung durch Einschränkung auf die medizinische Behandlungspflege gegenüber dem aktuellen Anspruch der Versicherten, der sich auf Behandlungspflege bezieht. […] Mit der jetzt vorgenommenen Verkürzung auf die Leistung lediglich der medizinischen Behandlungspflege sehen wir die Situation, dass durch körperbezogene Pflegemaßnahmen wir in die Situation kommen, dass Menschen, die sich in der Häuslichkeit versorgen lassen, mit massiven Eigenleistungsanteilen in einem Bereich von 2 000 bis 6 000 Euro pro Monat belastet werden könnten. Das führt dann im Ergebnis dazu, dass die freie Wahl des Versorgungsortes letztendlich unmöglich gemacht wird. Das ist eine ähnliche Situation, wie wir sie damals in vollstationären Einrichtungen erleben mussten. Deswegen fordern wir als zwingende Maßnahme in § 37c Absatz 1 Satz 3 das Wort „medizinische“ vor der Behandlungspflege zu streichen, damit die Versicherten wieder einen umfänglichen Anspruch auf Behandlungspflege haben, der sich patientenzentriert an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert und ihnen aufgrund ihrer Krankheit entsprechende, angepasste Pflegeleistung umfänglich zukommen lässt.
Nun äußerten sich Vertreter aus CDU und SPD, es ändere sich nichts am Status quo, das sei lediglich eine begriffliche Anpassung. So schreibt Heike Baehrens von der SPD:
„Intensivpflegebedürftige Betroffene, die sich nicht in vollstationären Pflegeeinrichtungen versorgen lassen, werden zukünftig durch das IPReG keine Leistungskürzungen erfahren und auch keine höheren Eigenleistungsanteile für die pflegerische Versorgung aufbringen müssen.“
Das ist mal ne Aussage. Und kommt er wieder, der Fluchtweg Konjunktiv. Baehrens weiter:
„Sollte seitens der Krankenkassen die Neuformulierung zu Leistungskürzungen oder zu Leistungsverschiebungen zwischen Gesetzlicher Krankenversicherung und Sozialer Pflegeversicherung führen, wird die SPD dies unterbinden und sofort nachsteuern.“
Heißt: Frau Baehrens hält es für möglich und will notfalls nachsteuern, wenn die ersten bereits im Heim sitzen. Kann man nur hoffen, dass die SPD demnächst nicht in der völligen politischen Bedeutungslosigkeit verschwindet, denn dann gibt’s nix zum Steuern. Oder ist das Wählerakquise durch Nötigung?!
Warum belässt man es nicht bei der bisherigen Begrifflichkeit, wenn sich doch angeblich nichts ändert? Man reagiert genervt und unterstellt Betroffenen Panikmache. Sag mal Freunde, geht’s Euch zu gut? Wem, glaubt Ihr, dient Ihr und die durch Euch erlassenen Gesetze? Wenn die Betroffenen selbst opponieren, dann sollte das doch eindeutig zum Nachdenken anregen, denn eigentlich sollten diese freudig feiern. Und wenn Ihr der Meinung seid, dass unsere Befürchtungen unbegründet sind, dann erklärt doch den Sachverständigen, Betroffenen und Verbänden wie vorteilhaft das Gesetz für alle Betroffenen sein wird. Tipp:
„Liebe Betroffene, wir verstehen Eure Bedenken, Sorgen und Befürchtungen. Diese sind unbegründet, denn das Gesetz ist in diesem Punkt eine Verbesserung für Sie, weil…“ – Weil?
In jedem Fall ist das Verhalten der Union beängstigend, da sie für den aktuellen Entwurf werben, obwohl ihnen bewusst ist, dass der Gesetzentwurf gegen die UN-Behindertenrechtskonvention verstößt. Prof. Dr. Theresia Degener, ehemalige Vorsitzende des UN BRK-Ausschusses: „Weder mit Art. 25 UN BRK (diskriminierungsfreie allgemeine und behinderungsspezifische Gesundheitsversorgung) noch mit Art. 26 UN BRK (inklusive und selbstbestimmte Rehabilitation) noch mit Art. 19 UN BRK (Selbstbestimmt Leben im inklusiven Sozialraum) ist der Gesetzentwurf GKV-IPReG vereinbar. Die Corona-Pandemie hat zudem gezeigt, dass stationäre Wohneinrichtungen nicht nur keine Schonräume sind, sie können in Pandemiezeiten zu Todesfallen werden.“.
Erwin Rüddel schreibt in einem Kommentar auf Facebook Folgendes:
„Pflegebedürftige haben jederzeit das Recht zu entscheiden, wo sie gepflegt werden möchten. Aber hat die Solidargemeinschaft der Beitragszahler nicht auch das Recht zu erfahren - wenn im Einzelfall monatlich von ihr bis zu 25.000,- Euro für Pflege bereitgestellt werden -, ob die Qualität der Pflege festgesetzten guten Standards entspricht? Im Heim wird dieser Standard durch Heimaufsicht und MDK sogar kontinuierlich überwacht.“.
Herr Rüddel, mussten Sie bei Ihrem letzten Satz auch so lachen wie ich? Erstens sehe ich genau dieses Recht durch IPReG attackiert und zudem wird so getan, als wäre die Heimunterbringung der Garten Eden. Dass es zahlreiche Skandale in Heimen gab, und dass es auch dort, wie überall, schwarze Schafe gibt, bleibt völlig außen vor in der Diskussion. Gibt man bei Google die Suchbegriffe „Pflege Skandal“ ein, bekommt man eine umfangreiche Auflistung von Pflegeskandalen in den letzten Jahren in ganz Deutschland, wie zum Beispiel in Augsburg, Krakow, Güstrow, Untermerzbach, Oldenburg, Delmenhorst, Krautheim, Mülheim, Sonthofen, Bonn, Hannover, Ludwigsburg. Aber auch im kleinen Saarland gab es prominente Skandale in Saarbrücken, Völklingen und Elversberg. Die Fälle sind alle aus stationären Einrichtungen, hauptsächlich Pflegeheimen. Es kam zu Misshandlungen von Schutzbefohlenen, Körperverletzung, Betrug, Verwahrlosung, Drohungen, bis hin zu mehreren Mordversuchen und Morden. Es wurden zu wenige Mitarbeiter eingesetzt und abgelaufene Medikamente ins Essen gemischt, um Bewohner ruhig zu stellen. Verletzte wurden tagelang nicht versorgt, Windeln nicht gewechselt und hygienische Standards nicht annähernd eingehalten. Die Aufsicht in den Heimen hat in den meisten Fällen völlig versagt, teilweise trotz konkreter Hinweise, oder war sogar involviert.
Natürlich ist dies keine vernünftige Datenbasis, um Aussagen treffen zu können und auf der Entscheidungen gefällt werden können. Die Datenlage beim Ministerium erscheint mir allerdings keinen Deut besser zu sein. Auf alle wesentlichen Fragen von beiden Anfragen im Bundestag lautet die Antwort „Dazu liegen keine Zahlen vor“. Dennoch zeigen diese zahlreichen Beispiele, dass es auch in Heimen krasse Verfehlungen gibt, und sicherlich ist die Dunkelziffer viel höher. Und ja, auch in der ambulanten Pflege, insbesondere in der Intensivpflege, gibt es schwarze und kriminelle Schafe, Ochsen und Schweine, im Vergleich funktioniert die Aufsicht aber besser. Denn zuhause ist die Aufsicht Ehemann, Ehefrau, Sohn, Tochter, Mama oder Papa, und intrinsisch motiviert, dass es dem Angehörigen gut geht. Diese unbezahlbare Triebfeder nennt sich Liebe.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, es gibt definitiv auch gute Heime und ein Großteil der Pflegerinnen und Pfleger in Heimen leisten aufopfernd bewundernswerte Arbeit, ebenso wie im ambulanten Bereich. Aber wer in seiner Argumentation solch einseitige Augenwischerei betreibt, dem muss man auch das andere wischen. Selbst wenn das Heim der Garten Eden wäre, will ich selbstbestimmt entscheiden können, ob ich dort leben möchte. Zudem ist eine stationäre Umgebung gerade aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr wesentlich gefährlicher und lebensfeindlicher, Stichwort multiresistente Keime, Corona und so weiter - insbesondere für beatmete Patienten. Ein Kernproblem sind sicherlich die Beatmungs-Wohngemeinschaften. Diese sind weder die eigene Häuslichkeit, noch unterliegen sie den Vorgaben von Heimen. Damit sind sie per se keine schlechte Betreuungsform, bieten aber anscheinend Potenzial für Abrechnungsbetrug. Nur werden alle ambulanten Wohnformen undifferenziert über einen Kamm geschoren und ins schlechte Licht gerückt. Der Großteil der ambulanten Dienste leistet einwandfreie Arbeit und eine stationäre Versorgung im Heim bietet wie schon beschrieben nicht per se eine Gewähr dagegen, menschenunwürdigen Zuständen ausgesetzt zu sein.
- In wie vielen ambulanten Intensivversorgungen, getrennt nach eigener Häuslichkeit und Beatmungs-WG, kam es im vergangenen Jahr zu Abrechnungsbetrug?
- In wie vielen Pflegeheimen kam es zum Abrechnungsbetrug?
- Wie viele Straftaten, die die körperliche Unversehrtheit betreffen, gab es im ambulanten und stationären Bereich?
Auf diese und weitere essentielle Fragen hat die Regierung keine belastbaren Antworten.
Liebe CDU, Sie lösen mit diesem Entwurf keine Probleme, sondern schaffen neue Probleme auf Kosten der Betroffenen. Die Kosten und das Personal sind die Triebfeder in diesem Gesetzentwurf und nicht das Wohl der Betroffenen.
Sie formulieren in dem Entwurf klar die „Allokation“ der Pflegekräfte. Sie gehen davon aus, dass, wenn Betroffene ins Heim ziehen, die Pflegekräfte zukünftig in Heimen arbeiten. Sie gehen anscheinend davon aus, dass viele Betroffene ins Heim umziehen „wollen“, sonst wäre das keine relevante Größe, um im Gesetzentwurf begründend angeführt zu werden. Verbleiben wir kurz und spielen das durch. Wenn tatsächlich Wahlfreiheit besteht, wird aus der häuslichen Versorgung nur ein kleiner Bruchteil das Pflegeheim als bessere Option sehen. Aus den Beatmungs-WGs, wo es schlecht läuft, werden vielleicht einige Betroffene mehr ins Heim wechseln. Allerdings kommt dort eine Fachkraft auf vier Intensivpatienten im Dienst. Die Personalflut Richtung Pflegeheim dürfte dennoch gegen Null laufen. Warum? Weil alle ambulanten Pflegekräfte aufgrund der Zustände in Pflegeheimen, nicht mehr in der stationären Versorgung arbeiten wollen, diese können das mit ihrem Gewissen (Begriffserklärung siehe oben) nicht vereinbaren. Diese Fachkräfte gehen eher als Erntehelfer nach Bulgarien und kehren der Pflege den Rücken. Wahrscheinlich bezahlt man sie dort auch besser und bringt ihnen die nötige Wertschätzung entgegen.
Alle(!) Beauftragten der Länder für Menschen mit Behinderungen fordern die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dazu auf, dem Gesetzesentwurf in der derzeitigen Fassung nicht zuzustimmen und geben eine gemeinsame Erklärung ab. Holger Kiesel, Sprecher der Konferenz der Beauftragten aus Bund und Länder für Menschen mit Behinderungen: "[...] Jeder und jede Abgeordnete, die diesem Entwurf zustimmen, stimmen für einen Gesetzesentwurf, der internationalem Recht widerspricht."
Sollte das in Kraft treten, können Krankenkassen bislang häuslich betreute Intensivpatienten auf das Heim verweisen, wenn diese ihre Versorgung nicht sicherstellen können. Das ist eine wesentliche Verschlechterung - daran ändert auch der Zusatz, dass nachgebessert werden kann, nichts. Der Sicherstellungsauftrag muss weiter bei den Krankenkassen liegen. Zudem soll der Kostenträger entscheiden, wo die Reise hingeht – völlig inakzeptabel. Es gibt keine neutrale Instanz und selbst der MDK befürwortet die Vorgehensweise der Beurteilung in seiner Stellungnahme nicht.
Wie gesagt, ich sehe dringenden Handlungsbedarf. Eigentlich lässt sich dieser auf die Beatmungs-WGs eingrenzen. Ich würde mir wünschen, grundlegend die außerklinische Intensivpflege zu professionalisieren im Sinne aller Betroffenen, unabhängig vom Ort der Unterbringung. Mehrheitsfähige Konzepte, die zukunftsweisend sind und den Menschen im Mittelpunkt haben und nicht die Kosten. Zudem gehört die Kommerzialisierung der Pflegeheime gestoppt, die Zustände in Heimen wesentlich verbessert und die Missstände dort umgehend abgestellt. Wir brauchen Bedingungen, die den Pflegeberuf interessant machen und aufwerten, so dass Perspektiven geschaffen werden und auch schulisch höher qualifizierte darin ihre Berufung finden. Die bestehende außerklinische Intensivpflege, um die uns das Ausland beneidet, gehört verbessert und ausgebaut und nicht zerschlagen. Das gibt’s nicht umsonst. Schon klar. Was darf ein lebenswertes Leben kosten? Ist künstliche Beatmung ein Showstopper für Selbstbestimmung und ist Intensivpflege der Break-Even-Point? Gibt’s Abwrackprämie für Familien, wenn sie ihren Behinderten entsorgen? Es wäre an der Zeit, dass Sie sich an Werten orientieren, nicht an Bilanzsummen von Unternehmen, Herr Spahn, mit 40 Jahren (Alles Gute nachträglich), ist der perfekte Zeitpunkt, Dinge zu überdenken und Weichen zu stellen. Behinderte gehören mitten in die Gesellschaft und nicht abgeschoben. Alles andere wäre Wasser auf die Mühlen der ewig Gestrigen.
Jens Spahn gibt vor Missbrauch und Betrug verhindern zu wollen. Bin ich dabei. Aber nicht, indem man Betroffene ins Heim nötigt. Was kommt als nächstes? Kasernieren wir alle Ausländer in Deutschland zur Reduzierung von Gewalt gegen Ausländer und wer frei leben möchte, muss monatlich 2.000 Euro zahlen? Alles natürlich aus reiner christlicher Nächstenliebe.
Die wirklichen Beweggründe von CDU/CSU und insbesondere von Jens Spahn bleiben im Verborgenen und öffentlich wird der Gesetzentwurf gefeiert und verklärt dargestellt. Kritik perlt völlig an Herrn Spahn ab, die überhebliche Herangehensweise ist unerträglich und man fragt sich, wem die IPREG Befürworter aus der Union dienen. Es entsteht der Eindruck, dass sie und ihre Erfüllungsgehilfen GKV-Spitzenverband und der MDK versuchen, das Gesetz im Eiltempo durchzupeitschen, die schwerkranken Betroffenen und die Öffentlichkeit über den Tisch zu ziehen und die entstehende Reibungshitze als Nestwärme verkaufen zu wollen.
Diesen Donnerstag geht das Gesetz in die zweite und dritte Lesung im Bundestag. Danach ist es beschlossene Sache.
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