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Sodom und Gomorra

Christian Bär • 25. Februar 2020

Wenn’s gut werden muss


Manchmal frage ich mich, ob ich nicht zu kritisch mit der Welt ins Gericht gehe. Häufig fälle ich ein negatives Urteil über Sachverhalte, welche ich vor einigen Jahren noch mit mehr Milde betrachtet hätte. Andererseits behalte ich einen Ruhepuls eines Apnoetauchers bei Dingen, die mir früher innerhalb von Sekunden fast Kammerflimmern verursachten. Ich beobachte mich selbst und frage mich, ob die Relationen gewahrt bleiben und woher diese Veränderungen kommen.  

Meine Erwartungshaltung ist im Allgemeinen recht hoch. Nicht nur an mein Gegenüber und sein Tun und Trachten, auch an mich selbst. Daran zu scheitern ist nicht tragisch, denn auch mir passiert das häufig. Was ich mir aber selbst nur schwer verzeihen kann, ist mangelndes Bemühen. Den Anspruch zu haben, bei wesentlichen Dingen im Leben optimal im Interesse aller Beteiligten zu handeln, halte ich für eine ehrenwerte Sache. Natürlich ist man nicht davor gefeit Fehler zu machen, aber das Bestreben ist entscheidend, selbst und auch dann, wenn dafür kein Dank in Aussicht gestellt ist. Dank wäre eine Form der Entlohnung und man tut es zum Nutzen anderer. Die gute Tat von einer Entlohnung abhängig zu machen wäre völlig egoistisch, nur auf den eigenen Vorteil bedacht. 
 
Definitiv gibt es schon lange bei mir ein Streben nach dem Optimalen. Die Erfahrung zeigt, dass das von mir definierte Optimum selten erreicht wird, sondern meist ein Näherungswert von im Schnitt 80 Prozent. Meine hundert Prozent beinhalten nicht nur das Ergebnis selbst, sondern auch den dafür betrieben Aufwand. Das Bestreben ist keinesfalls nur großen Entscheidungen in meinem Leben vorbehalten, vielmehr ist es täglicher Begleiter zum Beispiel beim Parken, Einkaufen, Kochen oder der Tagesplanung. Irgendwie macht das ja jeder und ich halte meine hundert Prozent weder für vermessen noch für überambitioniert, es soll ja gut werden. Allerdings definiert jeder sein „gut“ selbst und ich muss feststellen, dass viele entweder eine andere Definition benutzen oder mit viel weniger „gut“ gut leben können. Daher habe ich mir zum Beispiel bei Planungen angewöhnt, die Latte auf 125 Prozent zu legen. Hundertfünfundzwanzig ist mein neues Hundert, um im Endeffekt ein für mich empfundenes gutes Resultat zu erzielen und damit die unterschiedlichen Auffassungen in meinem Sinne zu kompensieren, insbesondere wenn in meinem Auftrag gehandelt wird. Dieser Pedantismus ist bisweilen durchaus anstrengend für alle Beteiligten. 

Wenn ich ins Parkhaus fuhr, beurteilte ich die Situation stets dahingehend, einen Parkplatz zu finden, der mit größter Zeitersparnis einher geht. Der Grund der Unternehmung war schließlich nicht das Parken an sich, sondern das nachgelagerte Vorhaben. Somit war Zeit die bestimmende Größe und ich wägte ab, ob ein mittlerer Laufweg mit einem kurzen Suchvorgang besser ist als andere Kombinationen. Häufig stand ich auf dem leeren obersten Parkdeck direkt neben dem Treppenhaus. Rein, hoch, parken, fertig. Kein Rumgesuche und kein Warten hinter Mitparkenden, bei denen man manchmal meinen könnte, sie kämen ausschließlich, um den Parkvorgang zu genießen und das Rangieren in und aus Parklücken. Wenn ich nun zum Beispiel mit anderen Personen in ein Parkhaus fahre, sind die Herangehensweisen sehr unterschiedlich, was ich als anstrengend empfinde, weil es eben in meinen Augen nicht optimal ist. Ich sage selbstredend ohne Klaus nichts, man will ja die Kirche im Dorf lassen. Meistens wird sogar auf Anhieb ein Parkplatz im Erdgeschoss direkt vor dem Ausgang gefunden und ich entnehme dem breiten Grinsen meiner Frau, dass sie meine Gedanken lesen kann. Ich antworte im Geiste: „Purer Zufall, Glück, Alpha-Fehler“. Ich schweife schon wieder ab. 

Je mehr mich die ALS einbetoniert, umso mehr bin ich auf fremde Hilfe angewiesen. Auch der Sprachverlust ist diesbezüglich ein großes Problem, es ist der mit großem Abstand schwerste Verlust, wenn man weitestgehend handlungsunfähig ist. Der augengesteuerte Sprachcomputer ist kein Ersatz. Das Erklären mit Computerstimme ist um gefühlte Lichtjahre langsamer, komplizierter und anstrengender. Es fehlen die Spontanität, die Emotionen, die Betonung und die direkte Verfügbarkeit der Stimme. Zudem funktioniert die Augensteuerung nicht bei Sonnenschein. 

Ich bin ständig auf Hilfe angewiesen. Meine Pflegekräfte sind durchweg Profis, aber eben keine Hellseher. Daher nähern wir uns bei Herausforderungen abseits von Routinetätigkeiten gemeinsam dem Ergebnis. Mit meinen einhundert Prozent hat das nicht mehr im Entferntesten etwas zu tun, was auch in den meisten Fällen unter diesen Bedingungen überhaupt nicht möglich ist. Was mich direkt betrifft, muss ich also die Normhöhe der Latte meiner Erwartungshaltung überdenken, sprich, das gute Ergebnis für mich neu definieren oder damit klarkommen, dass ich bei der Zielerreichung ständig weit unter meinen hundert Prozent bin. 

Nehmen wir an, Sie sind ein erwachsener fitter junger Mann im Alter von 35 Jahren und laufen an einem windstillen Sommerabend die einhundert Meter in flotten 12 Sekunden in persönlicher Bestzeit. Ärgern Sie sich nun, weil Usain Bolt das in richtig guten 9,58 Sekunden geschafft hat, oder freuen Sie sich über Ihr richtig gutes Ergebnis? Sie sollten sich freuen! Im Übrigen: Für das deutsche Sportabzeichen in Gold genügen 14,2 Sekunden und mit Ihrer Zeit wären Sie in den Finallauf der deutschen Meisterschaften in Ihrer Altersklasse gekommen. Was mich betrifft: Ich habe meine Definition überarbeitet. Das ist ein fortlaufender Prozess und ein durchaus mühsamer Weg, der viel Geduld erfordert. 

Die Erkrankung hat mich verändert, nicht nur zum Negativen. Ich war vorher ständig im Treiben, versuchte mit hoher Taktung möglichst viel zu erledigen und selbst in vermeintlichen Pausen arbeitete mein Hirn schon an den nächsten Baustellen. Diese wurden quasi zur physischen Abarbeitung vorbereitet. Ich glaube, seit meiner Diagnose und dem Stimmverlust bin ich immer mehr in mich gekehrt und habe mehr Zeit zuzuhören, einzuordnen und zu verarbeiten. In mir steppt immer noch der Bär, nur sieht man das meiner schlaffen Hülle nicht an. 

Ich spiele Szenarien im Kopf mehrfach durch und überdenke Dinge viel mehr als vor der Erkrankung. Dafür hätte mir früher die Zeit gefehlt. Durch das reduzierte Erleben reduziert sich auch die Menge der zu verarbeitenden Informationen und ich kann mir Extrarunden bei der gedanklichen Verarbeitung gönnen. Dies führt auch zu ungleichen Ausgangsbedingungen, im Speziellen im täglichen Miteinander. Es braucht Geduld von meiner Seite, weil meine Umgebung die Aufgabenstellung eben nicht mehrfach geistig seziert hat und vermutlich eine andere Herangehensweise wählen wird als die von mir nur in meinem Kopf gekürte Premiumlösung. An diesem Punkt umzuschalten und mein neues Feature des emotionalen Apnoetauchens zu benutzen, daran arbeite ich noch. 

Es kommen somit zwei Dinge zusammen. Zum einen meine grundsätzlich ambitionierte Erwartungshaltung und zum andern die gedankliche Qualitätssicherung, die dem Versuch die Latte meiner Erwartungshaltung zu senken wie eine Feder entgegenwirkt. Hier entsteht Spannung, die sich gelegentlich sprunghaft löst, was oft unangemessen in der Intensität ist, aber so ist das dann eben. Apropos: Absoluter worst case ist, wenn die Problemlösung noch nicht mal im Ansatz meiner ersinnten ähnelt, einfach mal locker aus der Hüfte geschossen wird, und um Längen besser ist. Das erdet. 

Seit Beginn der Erkrankung hat sich mein Aktionsradius rapide und kontinuierlich verringert. Zuerst musste ich große Höhen meiden, da die Luft zu dünn wurde. Zugspitze war somit passé, was schmerzlich ist, aber im Alltag nicht stört. Dann grenzten fehlende Handläufe und Stufen meine Möglichkeiten ein, mich frei zu bewegen, dann konnte ich kein Auto mehr fahren und durch den weiteren Verfall mit all seinen Konsequenzen wurde es unmöglich, sich spontan frei zu bewegen. Zudem sind die Möglichkeiten aufgrund des geringen barrierefreien Freizeitangebots sehr überschaubar und der Aufwand beachtlich. Gerade für Familien, die auf barrierefreie Angebote angewiesen sind, und junge Menschen mit Rollstuhl, gibt es nach meinem Empfinden wenige Möglichkeiten zur selbstbestimmten und selbstverständlichen Teilhabe am normalen Angebot inmitten unserer Gesellschaft. Zumindest in unserer Region ist das schwierig, aber auch anderswo. Versuchen Sie mal spontan in Köln mit einem Elektrorollstuhl ein passendes Restaurant zu finden oder in Kneipen zu gehen. 

Meine Welt wird kleiner. Nachdem ich nun mein „eigenes“ Zimmer im Erdgeschoss bezogen habe, ist die Pflege zwar um Welten praktischer geworden, aber diese Veränderung bedeutet auch einen wesentlichen Einschnitt in unser Leben. Die obere Etage und den Dachboden gibt’s für mich nur noch in meiner Erinnerung. Und so beschränkt sich meine erreichbare Welt in den Wintermonaten bis auf gelegentliche Ausflüge auf das Erdgeschoss unseres Einfamilienhauses und selbst dort gibt es nun Einschränkungen. Die Küche war der sonntägliche Tanzsaal meiner Frau und mir, wo gefühlt jeden Sonntagmorgen ein lateinamerikanischer Tanz in Perfektion dargeboten wurde. In Wirklichkeit war es entweder Discofox oder Stehblues auf das, was der Radioapparat just feilbot, und sei es, dass sich Lieschen Müller im SR3-Wunschkonzert „Sodom und Gomorra“ von Bruce Low gewünscht hat (für die jüngeren Leser: Der Titel und Interpret klingen zwar gefährlich cool und irgendwie ist es auch Sprachgesang, hat aber nix mit dem gleichnamigen Titel von Bushido und dem verbalem Durchfall darin zu tun). Diesen Raum der guten Erinnerungen befahre ich nun auch nicht mehr, bietet er meinem Rollstuhl nicht die Möglichkeit zu wenden. Bei der letzten Rückwärtsfahrt aus der Küche habe ich fast die Glasschiebetür zerlegt, meine Hand gebrochen und der anwesenden Pflegekraft einen Herzinfarkt verursacht. Sie musste meinen Rollstuhl vorsichtig und gekonnt mit der Begleitsteuerung aus der Türöffnung entkeilen, weil meine Hand zwischen Rollstuhl und Tür klemmte, gegen die Steuerung drückte, der Rollstuhl die Hand dadurch noch mehr einklemmte und die Räder am Durchdrehen waren. Die Krönung wäre das Rausbrechen der Glastür gewesen, was, Pflegekraft sei Dank, verhindert werden konnte. ALS ist wirklich ein Spaß für die ganze Familie.
  
Wenn kein Wunder bei der Finanzierung der Forschung geschieht, sind bahnbrechende Arbeitsergebnisse in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Dann wird die Küche nicht die letzte Bastion sein, die meiner ALS-Erkrankung zum Opfer fällt. Und das Pflegebett in unserem Zuhause wird zu meiner letzten Rückzugstellung werden. Wenn wir an diesem Punkt ankommen, welcher vermutlich nicht in weiter Ferne liegt, hoffen wir inständig darauf, dass ich zuhause leben darf. Denn das Leben mit und bei meiner Familie ist für mich das größte Geschenk und macht mein Leben lebenswert. 

Der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf von Jens Spahn (CDU), der in der Presse als Verbesserung verkauft wird, ist für mich keinesfalls eine Verbesserung. Er beinhaltet noch immer, Patienten zwangsweise in Heime abzuschieben, dadurch den Kassen Kosten zu sparen, den Heimbetreibern Kundschaft und Einnahme zu bringen und den Versuch, das politisch seit Jahren von der Politik wissentlich verschleppte und ungelöste Problem des Pflegekräftemangels dadurch zu lösen, dass man die Pflegekräfte in die Heime bekommen will, indem man die Arbeitsplätze im außerklinischen Bereich abbaut und zerstört. Es wird propagiert, dass das Problem des Fachkräftemangels durch „eine sachgerechte Allokation vorhandener Ressourcen“ entschärft wird, sprich durch die Verschiebung der Ressource „Pflegekraft“ aus den außerklinischen Versorgungen hin zu den Arbeitsplätzen in vollstationären Einrichtungen. Vielleicht lösen sich dadurch Probleme welcher Art auch immer bei Jens Spahn oder der CDU, aber die von Patienten, Angehörigen und Pflegekräften werden sich dadurch nicht lösen, eher verschlimmern. Und wer bis dato kein Problem mit seiner häuslichen Intensivpflege hatte, hat spätestens jetzt eins. 

Und das ist ja nicht die erste Heldenleistung des Herrn Spahn, die unser System an den Abgrund führt und Konzerne zustimmend nicken lässt. Zukünftig bin ich laut Entwurf auf das Wohlwollen eines Sachbearbeiters der Krankenkasse angewiesen, der die häusliche Versorgung ablehnen kann. Will ich dann nicht sterben, muss ich in irgendeinem Pflegeheim in Deutschland einziehen. Das macht uns Angst. Aber das schert Jens Spahn offensichtlich nicht. Betroffene werden nicht angehört, sondern lediglich in Kenntnis gesetzt und ständig die wohlgeübten überheblichen Phrasen gedroschen. Wozu auch die Meinungen von fachlich kompetenten Verbänden und Betroffenen anhören, denn das Gesetz hilft nicht den Betroffenen, sondern setzt die Interessen monetär getriebener Lobbyisten um. 
 
Befremdliche Zeiten. Entweder haben sich mein Blick auf die Welt und mein Empfinden geändert oder es geschieht tatsächlich so viel, was mir berechtigter Weise den Puls hochtreibt. Vielleicht eine Frage der Erwartungshaltung. Viel wahrscheinlicher jedoch eine Frage des Blickwinkels oder um es mit einem Freud zugeschriebenen Zitat zu sagen: „Bevor du dir selbst Depression oder einen Minderwertigkeitskomplex diagnostizierst, stelle sicher, dass du nicht einfach nur von Arschlöchern umgeben bist.“

Unsere Zeit wird gefühlt immer weniger, das Treiben immer hektischer. Hass, Missgunst, Intoleranz, schlechte Manieren, Verschwörungstheorien, demokratiefeindliches Gelaber, Dummheit und Nazis sind salonfähig geworden, und Geld regiert die Welt in einem Maße, wie es noch nie dagewesen war. Gebt uns ein Niveau, wir kommen drunter. Wir konsumieren maßlos und unreflektiert, das Angebot ist flutend und das gelikete Bild von uns ist uns wichtiger als wir selbst. Wir wollen nur das Beste für uns selbst, notfalls auf Kosten der anderen. Das Problem sind wir selbst, unsere mangelnde Mäßigung, die fehlende Demut, unsere verwaschenen Wertvorstellungen, die Freiheit der Unternehmen und deren Umgang mit gesellschaftlicher Verantwortung. Die redliche Unternehmung hat kaum noch eine Chance gegen die Gewissens- und Schamlosigkeit, mit denen man auf einfachste Weise völlig legal ein Vermögen machen kann. 

Die niedrigen Instinkte werden schamlos bedient. Schneller, höher, weiter, ständiger Vergleich. Alle agieren mit Maske und vergleichen sich mit der Maske der anderen. Und wir lassen es zu, schauen weg oder beteiligen uns, bewusst oder unbewusst. Wir bleiben sitzen, stehen nicht auf, wollen unsere Komfortzone nicht verlassen, sehen andere in der Pflicht und halten lieber unsern Mund. Das macht am Ende keinen Unterschied, denn Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, und das Unterlassen trotz besseren Wissens wegen Bequemlichkeit und fehlender Courage verringert nicht die Schuld. Sodom und Gomorra. 

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Geschafft, ich habe das Jahr 2020 überlebt. Eine nicht selbstverständliche Sache, auch ohne ALS-Erkrankung und ohne Corona-Pandemie. Ein endlicher Spaß, dieses Leben, mit garantiert tödlichem Ende. Also bitte keine Klagen am Ende, von wegen Sie hätten es nicht gewusst. Sie können nun weiterhin so leben, als wären Sie davon ausgenommen und würden einen Exklusivvertrag auf ewiges Dasein mit Gott beziehungsweise dem Teufel Ihr Eigen nennen, aber spätestens jetzt wissen Sie Bescheid – tut mir leid für den Spoiler. Und es kommt noch schlimmer: Sie können nix mitnehmen, denn der Fährmann kommt mit dem Einbaum, da ist kein Platz für Gepäck. Sie gehen allein. Ein Oneway-Ticket für eine Person, ohne Gepäck, für eine Fährfahrt und „Meet & Greet“ mit dem Kapitän, dem berühmtberüchtigten Fährmann. Als mögliche Routen werden derzeit der Jordan und die Wupper angeboten. Leider kurz, aber angeblich eine schöne Überfahrt. Es gab im letzten Jahr gefühlt nur drei große Themen bei uns: Corona, IPReG und meine Pflege. Mehr oder weniger drehen sich diese Themen alle um mein Überleben. Das Leben fand zwar statt, aber im Vergleich zu den Vorjahren in sehr eingeschränkter Form. Dies lag hauptsächlich an Corona und der unaufhaltsam fortschreitenden Krankheit ALS. Garniert wurde es um die Sorge wegen der neuen Gesetzeslage und aufgehellt durch die Veränderungen bezüglich meiner persönlichen Pflegesituation. Aber dazu später mehr. Ich freue mich erstmal unter den Überlebenden zu sein. Ich finde es immer erstaunlich, dass wir dem Wechsel einer Zahl eine derart große Bedeutung zumessen. Da wird die 18 zur 19 oder die 20 zur 21, und viele von uns atmen auf. Warum eigentlich? Was ändert sich denn durch die neue Zahl? Und warum sind wir froh, obwohl damit auch unser „Meet & Greet“ näher rückt? Es soll besser werden im neuen Jahr. Das ist wohl die gängige Grundmelodie des Wunschkonzertes an jedem Silvester. Dieser Wunsch geht einher mit vorsätzlichen Selbstgeißelungsbestrebungen in den kommenden Monaten, den guten Vorsätzen. Die Jahreszäsur führt bei vielen Menschen zur Selbstreflexion. Das wäre unterjährig zwar ebenso möglich und wünschenswert, wird aber aus Bequemlichkeit vermieden. Ähnlich verhält es sich mit den guten Vorsätzen. Diese fristen in einer Kiste in einer dunklen Ecke im Oberstübchen ihr unbeachtetes unterjähriges Dasein, bis diese Ecke an Silvester kurz durch das Licht des Feuerwerks erhellt wird. Wir kramen dann mit einigen Bieren, einem Schluck Wein und ein paar Grappa, mit glasigen Augen und glänzend gespanntem Bauchnabel rührselig in der Kiste und in unseren Erinnerungen. Auf einer Woge der Sentimentalität reitend beschließen wir, fortan die Kiste ins rechte Licht zu rücken. Diesen Beschluss und den kurzen Moment des persönlichen Weltfriedens begießen wir dann feierlich mit zwei prickelnd brillanten Söhnlein oder artverwandten Vertretern, bevor wir uns nach dem letzten Zisch, Peng, Uuuuh, Aaaah und Ooooh mit einem Jieper durch die Reste des mittlerweile kalten Buffets fräsen. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt im Jahr kapitulieren häufig die ersten guten Vorsätze unter der streng wehenden Fahne aus einer Grappa-Frikadellen-Nudelsalatkombination und ziehen sich desillusioniert und vernichtend geschlagen mit einem seufzenden Rülpser zurück ins Dunkel, wartend auf ihren großen Tag des Durchbruchs oder eben den nächsten Kurzauftritt an Silvester. Vielleicht wieder etwas überzeichnet. Der Vorsatz, künftig weniger zu überzeichnen, kommt in meine Kiste für nächstes Silvester, so es denn für mich eins gibt. Bei mir ist das nicht anders mit den guten Vorsätzen. Ich hatte mir vorgenommen, mich 2020 nicht mehr so aufzuregen und die gewonnene Energie in unser Familienleben zu investieren. Leider kam ich nicht umhin, mich 2020 mächtig in meinen Beiträgen zu echauffieren, weil mitunter genau dieses Familienleben bedroht wurde. Das unsägliche Verhalten von Jens Spahn und das peinliche Trauerspiel von CDU und SPD beim Gesetzesentwurf vom „Ab ins Heim“-Gesetz, dem heftig umstrittenen Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV IPReG vormals RISG), trieb meinen Puls in die Höhe. Nach meinem Ermessen war die Aufregung absolut gerechtfertigt und in der Sache richtig. Sollte ich dennoch mal einen Tiefschlag gelandet haben, bitte ich, diese Unsportlichkeit und meine Unzulänglichkeiten zu entschuldigen, rechtfertigt doch das Fehlverhalten anderer nicht mein eigenes. Nun ist dieses Gesetz in Kraft getreten und ich bin auf die ersten negativen Folgen durch das Verhalten der Krankenkassen gespannt, denen durch dieses Gesetz die Möglichkeit eingeräumt wird, Betroffene in eine stationäre Einrichtung zu nötigen anstatt die Versorgung in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen. Die Intensivpflege ist in einer stationären Einrichtung nämlich wesentlich günstiger, aber nach meinem Ermessen in den meisten Fällen schlechter für die Betroffenen, die eine häusliche Pflege bevorzugen. Man hat ein Gesetz geschaffen, welches die häusliche Intensivpflege schlechter stellt und ganz klar die stationäre Pflege bevorzugt. Der bis dahin geltende Grundsatz „Ambulant vor Stationär“ wurde hier ad acta gelegt und mit dem Fachkräftemangel in der Pflege begründet. Ein Rückschritt, der scharf von Verbänden, Vereinen, Gutachtern, der Opposition, den Betroffen, dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung und diversen Fachleuten kritisiert wurde, da er das eigentliche Ziel, Betrug in der außerklinischen Intensivpflege zu verhindern, verfehlt und die Entwürfe zudem in mehreren Punkten die UN-Behindertenrechtskonvention verletzten, was Jens Spahn und die CDU wenig beeindruckte. Öffentlich wurde stets beteuert, es sei nur zum Besten für die Betroffenen, aber am Ende des Tages geht’s nur darum Kosten zu sparen und die häusliche Intensivpflege auszutrocknen. Wenn es um das Wohl der Menschen ginge, könnte man sich um die zahlreichen Pflegeskandale in den Pflegeheimen kümmern und Rahmenbedingungen schaffen, damit der Fachkräftemangel behoben wird. Dies spart aber weder Kosten noch beglückt es Aktionäre. Manchmal beschleicht mich eh der Verdacht, man denke, dass es in Heimen nicht mehr um den Menschen geht, sondern um Nutzvieh, das gehalten wird, um es zu melken, ihm die privaten Ersparnisse aus der Tasche zu ziehen und sich dies zusätzlich staatlich subventionieren zu lassen, sollte das private Vermögen aufgebraucht sein. Da lacht der Aktionär. Wie ich solch ein Verhalten finde, habe ich bereits in meinen Beiträgen zum Ausdruck gebracht. Zuerst funkt man 2019 auf allen Kanälen, dass man in Frieden komme, mit guten Absichten und hisst die weiße Flagge an Deck. Zeitgleich wird unter der Wasseroberfläche ein Torpedo auf Hilfsbedürftige abgefeuert, denn man fährt ausschließlich Geleitschutz für die Kostenträger, die mit diesem Gesetz einen Teil ihrer Ladung loswerden können, um mehr Platz für Überschüsse zu haben. Freunde, ihr seid Kostenträger und keine Überschussträger. Man reagiert nervös und angefressen auf Nachfragen und Kritik, will man doch die Mär vom Robin Hood erzählen bei der Hafeneinfahrt. Ich schweife schon wieder aus. Der nächste Vorsatz für meine Kiste: Nicht ausschweifen. Zurück ins Trockene und zum beschlossenen Intensivpflegegesetz. Somit baden nun vom Schicksal schwerstens getroffene Menschen das politische Versagen aus, dass die Pflegeberufe seit Jahren mit den Füßen getreten werden und somit, völlig verständlich, nicht genug Nachwuchs in diesem Metier gewonnen werden kann. Zeitgleich kehren immer mehr Fachkräfte frustriert und ausgelaugt ihrer Berufung den Rücken. Anstatt den Beruf aufzuwerten und neue höherwertige Qualifizierungsmöglichkeiten zu schaffen, die Verdienstmöglichkeiten und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, Aufgabenzuschnitte anzupassen, wurde im Kolonialstil versucht, günstige Pflegekräfte im Ausland abzuwerben, die unter diesen Bedingungen noch bereit sind zu arbeiten, damit wir Kosten sparen können. So die Theorie. Im Endeffekt müssten sich die abgeschöpften Länder dann in Zukunft mit unseren Problemen rumplagen, da ihr Pflegepersonal bei uns arbeitet. Deutschland 2020. Interessanter Weise wollte niemand kommen. Für mich und viele andere Betroffene ein riesiger Aufreger 2019 und 2020. Die Entwürfe aus dem Hause Spahn haben viele Betroffene in Angst und Schrecken versetzt. Nur durch den massiven und lautstarken Widerstand von Verbänden, Betroffenen, Vereinen und dem Protest der Opposition, insbesondere von den Grünen und der FDP, konnte das Schlimmste verhindert werden. Dennoch ist das Gesetz auch in der beschlossenen Form brandgefährlich für die häusliche Intensivpflege. Das Verhalten von CDU und auch der SPD fand ich beispiellos peinlich. Laut einer Umfrage der „Bild am Sonntag“ im Dezember 2020, ist Herr Spahn beliebtester Politiker in Deutschland. Besonders Frauen wünschen sich laut Umfrage, dass er mehr politischen Einfluss erhält. Wen hat denn das Meinungsforschungsinstitut da angerufen? Nur die Abonnentinnen der Superillu und der Bunten? Die Wahlberechtigten CDU-Mitglieder vom letzten Parteitag können es nicht gewesen sein. Beängstigend, sollte dies tatsächlich die einhellige Meinung sein. Wobei dies ja nur meine persönliche Meinung ist. Ich halte Herrn Spahn ohne Zweifel für einen der pfiffigsten in der Regierung unter Frau Merkel, jedoch tue ich mich mit seinem Habitus und seiner charakterlichen Eignung als Bundesminister schwer - auch wenn ich das Gefühl habe, dass die Pandemie Herrn Spahn etwas geerdet hat. Nun hat der argumentationsflexible und vom Verkaufsprofi Jens Spahn beworbene Herr Laschet den CDU-Vorsitz inne und es würde mich nichtgroßartig wundern, wenn Herr Spahn als Kanzlerkandidat antritt. Denn wie oben beschrieben geht’s heute darum, was sich gut verkauft. Tiefgang braucht man nicht viel, Hauptsache es reicht, um Torpedos ins Wasser zu lassen. Kapitän Merz hat seinen Torpedo bereits in Richtung des Panzerkreuzers Altmaier abgefeuert. Er hat angeboten, ab sofort das Wirtschaftsministerium zu übernehmen. Wie bescheiden und selbstlos von ihm. Blindgänger. Zum Glück. Außer einem vermutlichen Lachkrampf bei Frau Merkel, konnte dieser Vorstoß keine Wirkung erzielen. Ach herrjeh, ich mach schon wieder den Gottschalk, rede mich um Kopf und Kragen und überziehe abermals gnadenlos.. Ich versuche nun die Kurve zu bekommen, versprochen. Ein weiterer Punkt für meine Kiste: Fass dich kürzer, Christian! Gefolgt von „Weniger sticheln.“. Kommt aber frühestens nächstes Jahr zur Entfaltung oder im nächsten Leben. Wobei diese beiden Zeitpunkte, zumindest rein statistisch, bei meiner Lebenserwartung deckungsgleich sind. So oder so, es besteht Aussicht auf Besserung bezüglich meiner gespitzt ausschweifenden Schreibe für den sich davon gestört fühlenden Leser. Zum hoffentlich guten Schluss noch ein paar Informationen zur persönlichen Großwetterlage. Viereinhalb Jahre ist meine Diagnose ALS nun her, und die Zeit ist alles andere als spurlos an uns und meinem körperlichen Zustand vorbeigegangen. Dennoch muss ich konstatieren, dass ich mich, in Anbetracht der Umstände und im internationalen Vergleich, sehr lebendig und glücklich fühle und mich bis dato bester Gesundheit erfreue. Außer Muskeln fehlt mir nix. Was ein Glück – könnte schlechter laufen. Toi, toi, toi. Jetzt läuft die Bärenpflege schon über ein Jahr im Rahmen des persönlichen Budgets und wir sind mehr als glücklich, diesen Weg beschritten zu haben. Ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende. Ich hoffe, dass es nächstes Jahr etwas ruhiger zugeht und wir unser Team vollständig besetzen können und nicht wie dieses Jahr derart komplizierte Umstände aufeinandertreffen, die unsere Belastbarkeit und unseren Teamgeist unnötig fordern, Bei jedem ambulanten Pflegedienst hätte dies zu Versorgungslücken geführt, aber nicht so bei uns. Das ist der Verdienst meiner angestellten Pflegekräfte. Herzlichen Dank für Euren Einsatz. Vermutlich wird uns auch das neue Jahr vor Herausforderungen stellen, die jetzt noch nicht abzusehen sind. Wir können uns nur bestmöglich rüsten, den Deich aufschütten und frohen Mutes als Gemeinschaft agieren, aber dennoch können wir nicht die Sturmflut abschaffen. Ein wenig Gottvertrauen, Demut vor dem Unvermeidlichen und eine Prise Humor schaden somit nie. Auch wird sich mein körperlicher Zustand ohne das erhoffte Wunder weiter verschlechtern. Dies gehört aber zum Gang der Dinge, schließlich kämpft man mit ALS ums Überleben und nicht um den Titel Mister Universum. Dieses Jahr wird vermutlich ein Matchball-Jahr und Operationen werden nicht vermeidbar sein. Ich bin gewillt, den Teufel mit Gottes Aufschlag in den Tiebreak zu zwingen. Hoffen wir, dass wir punkten können. Ich geh nun meine Kiste mit den gesammelten guten Vorsätzen ins Oberstübchen suchen und will meinen Teil dazu beitragen, dass es ein gutes Jahr wird, und ich hoffe, dass jeder bestrebt ist, das Gleiche zu tun. Denn es liegt ausschließlich an uns, wenn`s gut werden soll. Wir alle haben eine Wahl und jede Entscheidung hat einen Preis. Selbst Nichtstun hat einen Preis. Ich kann davon ein Lied singen. Den Vorsatz „Abnehmen“ kann ich mittlerweile leider aus meiner Kiste herausräumen. Ich schmelze dahin wie Schnee in der Sonne. Das wars dann. Habe die Ehre 2020, du warst herausfordernd. Es war nicht alles schlecht, vieles werde ich vermissen. Trump aber zum Beispiel nicht. Auf geht’s in ein hoffentlich gutes, solidarisches, friedliches und gesundes Jahr 2021 voller Möglichkeiten und Chancen. Ich hoffe, dass 2021 in Summe entspannter wird und gegen ein Wunder, insbesondere in der Therapierbarkeit von ALS, hätte ich auch nichts einzuwenden.
von Christian Bär 9. November 2020
Wenn ich im Schlaf träume, dann sind es nie Alpträume. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal schlecht geträumt habe. Gefühlt liegt das Jahre zurück. Selbst am Abend der Diagnoseverkündung vor vier Jahren bin ich am frühen Abend völlig erschöpft eingeschlafen und habe bis morgens selig und bestens durchgeschlafen, und auch die darauffolgenden Wochen waren bezüglich meiner Nachtruhe unspektakulär. Daran erinnere ich mich so genau, weil es mich selbst verwundert hat, dass meine Träume gänzlich frei von negativen Gefühlen oder Ängsten waren. Durch die äußerst belastenden Umstände hätte ich durchaus erwartet, dass ich nachts einiges aufarbeiten muss und dass dies keine Wohlgefühlgedanken werden. Das war glücklicherweise nicht der Fall. Nun kann ich nur spekulieren, woran das lag und liegt, dass mir dies bisher erspart geblieben ist. Man könnte natürlich landläufig annehmen, dass es eine Laune der Natur ist, ich mit den Genen eines harten Hundes ausgestattet bin, meine empathielose Art noch nicht einmal vor mir selbst Halt macht und Gefühle selbst in der Größenordnung eines emotionalen atomaren Erstschlages an mir abperlen. Wer mich allerdings kennt, der weiß, dass diese einfache Erklärung nicht passt. Dennoch ist es sicherlich richtig, dass ich für mich und wir für uns einen Weg gefunden haben, damit klarzukommen, unser Leben zu meistern und Glück zu empfinden, bei vollem Bewusstsein um die Schwere meiner Erkrankung und der sich daraus ergebenden Herausforderungen. Dafür gibt’s meiner Meinung nach kein Pauschalrezept, wie man damit verfahren muss. Es ist mir sicherlich in die Wiege gelegt worden, eine gewisse Stressresistenz zu besitzen. Des Weiteren war unser Leben bis zur Diagnose auch nicht völlig sorgenfrei und wir hatten in unseren Leben gelernt, mit Kummer durch Krankheit umzugehen. Wir waren bereits geübt darin, auch unter widrigen Umständen handlungsfähig zu bleiben. Das Flankieren mit Humor ist ebenso eine hilfreiche Möglichkeit aus dem Arsenal der Lebensstrategien, Widrigkeiten im Leben die Stirn zu bieten. Es ist vieles Ansichtssache und somit abhängig vom eigenen Standpunkt. Manchmal bin ich nah an meiner Erkrankung, größtenteils verweise ich diese doch auf einen angemessenen Platz in meinem emotionalen Terrain, damit sie mir nicht die Sicht auf die schönen Dinge versperrt, die es nach wie vor in unserem Leben gibt. Ohne Frage bleibt die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, dennoch bei allem Humor und Optimismus eine der brutalsten Erkrankungen, die einem Menschen widerfahren können und deren Verlauf kaum vorstellbares Leid für die Betroffenen mit sich bringt. Da hilft dann die Übung nur bedingt, denn wirklich epochale Katastrophen sind in der Realität emotional viel zu brutal, als dass man sich darauf in irgendeiner Weise vollumfänglich vorbereiten könnte. Die Krankheit ist bis heute ein sicheres Todesurteil, aber das ist die Geburt auch. Im Unterschied wird das Urteil bei ALS allerdings im Schnitt nach vier Jahren gnadenlos vollstreckt. Es gibt bislang keine einzige wirksame Therapie, die das Überleben der Patienten wesentlich verlängern kann. Weder die Schulmedizin noch komplementäre Ansätze, weder sonstige alternative Heilverfahren noch bei Halbmond und Westwind um den Birnenbaum tanzen, können was reißen im Kampf David gegen Goliath. Natürlich hilft es, sonstige Baustellen zu schließen, damit die verbleibende Energie nicht unnötig verbraten wird und der Körper sich nicht mit Entzündungen oder sonstigen Unpässlichkeiten beschäftigen muss, denn mit dem Kraftverlust durch den rapiden Abbau sämtlicher willkürlich gesteuerten Muskeln ist das Dasein bereits beschwerlich genug. Es ist aber derzeit absolut illusorisch zu hoffen, man könnte sich dem Verlauf der ALS entziehen, egal womit. Der medial verkündete angebliche Durchbruch in der ALS-Forschung war leider völlig überzogen. Zwar gibt es Fortschritte in der Forschung, aber von einem Durchbruch ist das weit entfernt. Realistisch betrachtet sind die Erkenntnisse lediglich eine Hoffnung auf eine moderate Verlangsamung des Krankheitsverlaufs und zudem befindet man sich noch in der Studienphase. Es ist nicht mehr als ein Abkratzen der obersten Putzschicht der Bunkermauer ALS, aber auch nicht weniger. Derzeit gibt es in Deutschland nur ein einziges zugelassenes Medikament, das nachweislich den Verlauf der Krankheit verlangsamen kann, um etwa [Trommelwirbel – TUSCH] drei Monate. Das war’s – und schon klingt der Birnbaumtanz irgendwie gar nicht mehr so abwegig und aussichtslos. Forschung und Versorgung sind völlig unterfinanziert in Deutschland. Etwa 26 Euro stehen laut der Charité Berlin pro Patienten und Jahr für die klinische ALS-Forschung bereit. Schon beachtlich, wenn man mal vergleicht, wofür sonst große Summen anscheinend problemlos investiert werden, und oft sogar völlig sinnfrei. Herr Professor Meyer von der Charité hat mir wie folgt geantwortet: „Insgesamt lässt sich feststellen, dass eine massive Unterfinanzierung vorliegt. Das betrifft die Grundlagenforschung, die klinische Forschung und auch die spezialisierte Versorgung. Selbst die ALS-Ambulanzen in Deutschland sind so unterfinanziert, dass bis zu 70 % aus anderen Mitteln beigesteuert werden müssen (Spenden, Drittmittelprojekte). Diese Unterfinanzierung ist der Grund, warum in Deutschland nur etwa 30 % aller Betroffenen im Verlauf ihrer Krankheit von einem spezialisierten ALS-Zentrum betreut werden. Der überwiegende Teil wird von regulären Neurologen versorgt. Das wäre ungefähr so als ob der Großteil der Krebspatienten keinen Kontakt zu einem Onkologen erhalten würden. Hinzukommt die von Ihnen adressierte Forschungsfinanzierung. Hier sind die Budgets in keiner Weise ausreichend.“ Aufmerksame Leser meines Blogs werden sicherlich bemerkt haben, dass das bereits in meinem ersten Blogartikel stand. Das war im Juli 2018. Was hat sich seitdem an diesen Umständen geändert? Nichts. Chapeau. Da schreib ich mir seit zwei Jahren Hornhaut auf die Augen und alles für die Katz, zumindest in diesem Punkt. Umso wichtiger bleibt das private Engagement in diesem Bereich. Hier zählt jeder Euro. Ich bitte Sie, die Forschung in diesem Bereich nach Ihren Möglichkeiten zu unterstützen. Steter Tropfen höhlt die Bunkerwand. Die Forschung hat einige gute Ansätze in petto und trotz bescheidener Mittel beachtliche Fortschritte gemacht. Nicht auszudenken, was wohl an Leid erspart bliebe, wenn sie ausreichend finanziert werden würde. Ich glaube an unser kleines Wunder. Nix großes. Ich erwarte keine Heilung. Spürbar mehr Zeit für mich und meine Familie, für Hannes‘ Weg, auf dem ich ihn doch so gerne noch begleiten will, darauf hoffen wir. Natürlich sind Wunder selten, aber nicht ausgeschlossen. Entscheidende Fortschritte in der Therapie von ALS halte ich nicht für ein Wunder, sondern für Fleißarbeit. Es wäre allerdings ein Wunder und traumhaft, wenn dies noch zu meinen Lebzeiten geschieht. Das ist meines Ermessens nur eine Frage der fehlenden beziehungsweise der ausreichend zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel. Mit meinen Träumen hat das allerdings wenig zu tun. Ganz selten sitze ich in meinen Träumen im Rollstuhl. Ich bin fast immer kerngesund, immer ohne Punkt und Komma am Reden und wie früher immer quirlig und flotten Schrittes unterwegs. Es sind schöne Träume. Ich labe mich morgens im Halbschlaf in der Erinnerung an sie und es ist wahnsinnig angenehm, endlich mal wieder sprechen zu können. Auch das Fahren Im Traum mit meinem alten BMW ist traumhaft – Freude am Fahren eben, da hat der Hersteller wohl alles richtig gemacht. Und erst das Essen – grandios. Vorgestern im Traum gab’s ein knuspriges Grillhähnchen von unserem Gasgrill und frische Pommes. Dass ich nur noch sehr wenige Sachen pürierter Form essen kann, ist einer der schlimmsten Verluste für mich, nach dem Stimmverlust, welcher bis dato die Rangliste der Entbehrungen meiner Erkrankung unangefochten anführt. Es ist schon hart, wenn ich zusehen muss, wie andere Currywurst und Pommes futtern, ohne zu wissen, wie genial das ist, dies einfach tun zu können. Ich kann mich leider nur noch am Geruch der meisten Speisen laben. Selbst den Geruch von Frittenfett mag ich mittlerweile. Wobei es auch Tage gibt, an denen ich anderen beim Essen von leckeren Speisen nicht zusehen kann und lieber den Raum verlasse, denn die Gelüste übermannen mich und mich überkommt eine Gefühlsmischung aus Neid und Wehmut. Ich habe nun insgesamt 40 Kilogramm seit Beginn der Erkrankung verloren, hauptsächlich Muskeln. Jedes Halten des Gewichts wird gefeiert, wohlwissend dass die Muskulatur dennoch schwindet. Aber über den Sommer habe ich Mops mein Gewicht gehalten. Wahrscheinlich liegt das am vielen Weizenbier, dem Cognac und dem Eierlikörchen vorm Schlafen, der vielen fettigen Pizza, den morgendlichen Brötchen mit warmem Leberkäse und Mayonnaise, dem allnächtlichen Käsefondue, den überbackenen Frikadellenbrötchen zwischendurch und der täglichen Jumbotüte Kartoffelchips zur Tagesschau, dem großen Döner mit extra viel Soße zum Abendessen und dem Tiramisu zum Nachtisch, dem Liter Frischmilch am Tag, den Nudeln mit Gorgonzola-Rahmsauce, Parmesan und viel gutem Olivenöl zu Mittag und dem Powershake mit zehn rohen Eigelb, gemixt mit einem Becher Sahne und einem Schuss Zitrone zum Wachwerden. Oder es liegt an den knackigen Trauben. Fructose ist ja auch Zucker, und Zucker ist böse, eine Ausgeburt des Teufels - das soll man nicht unterschätzen. Die Waage lügt nicht: Ich habe seit mehreren Monaten kein Gewicht mehr verloren. Mit etwas Sehschwäche und gleichmäßigem Hüpfen auf der Waage, könnte es sogar ein Pfund mehr sein. Da legt man sich extra ALS zu und dann sowas. Ich muss nun dringend drastische Maßnahmen ergreifen, um die drohende Fettleibigkeit abzuwenden. Ich wickel mich nun erstmal in Frischhaltefolie ein und dreh die Heizung hoch, um eine Kernschmelze einzuleiten, dann hüpf ich auf meinem Trampolin und mach dabei Hula-Hoop, während ich den Shoppingkanal schaue und alles kaufe, was vielversprechend beworben wird. Danach Joggen, Wasserball, Power-Yoga und Step-Aerobic, Bodypump, Twerking und aufs Midlifecrisis-Rennrad für Männer ab 40. Dann ruf ich Detlef Soost an, lass mich maximal motivierend anschreien und brate jeden zweiten Tag meinen frisch gebackenen Leberkäse nur noch mit Halbfettmagarine kross und lege ein Blatt Kopfsalat zwischen Leberkäse und Mayonnaise, wegen dem gesunden Chlorophyll. Zudem wäre ein überteuertes Seminar bei mehreren selbsternannten Motivationsgurus, welche mit seriöser Arbeit gescheitert und auf die Kohle von Teleshoppern wie mir angewiesen sind, entscheidend, um meine Potenziale endlich vollends ausschöpfen zu können und mit den anderen 150 naiven Teilnehmern in den exklusiven Club der Gewinner eintreten zu können. Entschuldigen Sie bitte, ich rede, ähm schreibe, im Tagtraum. Zurück in die Realität. Es ist erstaunlich, wie bescheiden und immateriell Wünsche und Freuden werden, wenn man krank ist. Leider schaffen wir es oft nicht, uns an unserem traumhaft schönen Dasein zu erfreuen, egal ob gesund oder krank. Zudem ist vieles auf unserer Welt ziemlich krank, ob nun tatsächlich oder im übertragenen moralischen Sinne. Aber wir schaffen es nicht, einander gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass wir wieder etwas harmonischer miteinander umgehen, sei es zwischenmenschlich oder mit der Schöpfung im Allgemeinen. Bei einem Baby freut man sich darüber, wenn möglichst viel vom Brei im Mund bleibt und nicht wieder auf dem Lätzchen landet. Man feiert erfolgreiches Verdauungsverhalten und durchgehenden Schlaf. Absolute Basics sind Hauptthemen und Grund zur Freude. Ähnlich wie bei mir. Das mag lustig klingen, zeigt aber wie es an die existenziellen Themen geht, trotz wachen Geistes und weitem Horizont. Uns als Menschheit gelingt es aber nur sehr begrenzt zu erkennen, wie weit wir teilweise von einem respektvollen, gesunden und nachhaltigen Miteinander entfernt sind und wie sehr es an einer angemessenen Prioritätensetzung krankt. Das Materielle, der ständige Vergleich und Bestätigung durch den Neid der anderen sind überhandnehmende Triebfedern in unserer Zeit geworden. Und nun haben wir da eine Krankheit die lebensbedrohlich ist und für die es keine Medikamente gibt, verbunden mit massiven Einschränkungen und Entbehrungen, bis hin zur Einschränkung der gesellschaftlichen Teilhabe – kommt mir seit vier Jahren sehr bekannt vor. Esst mal ne Currywurst mit Pommes, nehmt Eure Kinder in den Arm und redet miteinander – mein Neid ist Euch sicher, de nn davon kann ich mein Restleben lang nur noch träumen. Aufgrund zahlreicher Nachfragen, hier eine von vielen Möglichkeiten, die Forschung in diesem Bereich mit Spenden zu unterstützen. Danke. https://www.als-charite.de/spenden/
von Christian Bär 8. September 2020
Vor etwas mehr als zwei Jahren ging madebyeyes.de online und kurz darauf folgten die Präsenzen bei Instagram und Facebook. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits zwei Jahre die Diagnose ALS. Mittlerweile folgen mir über 12.000 Menschen in den sozialen Netzwerken, was mich sehr freut. Vielen lieben Dank auch für die zahlreichen Zuschriften und Kommentare, die teils sehr aufwändig geschrieben sind und mich gelegentlich zu Freudentränen rühren. Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich nur wenige Zuschriften beantworten kann. Meine Kraft und meine Zeit reichen nicht aus, um mehr zu beantworten, so gerne ich es auch täte. Der erste Beitrag 2018 war eine Bestandsaufnahme und es stand zu befürchten, dass ich zum heutigen Zeitpunkt keinen Beitrag mehr verfassen kann, weil ich bereits mit dem Fährmann über die Wupper geschippert bin. Mir wurde ein dynamischer Verlauf bescheinigt, was so viel heißt wie, dass ich vor Freude tanzen kann, sollte ich das untere Ende der durchschnittlichen Überlebenszeit ab Diagnosestellung 3 bis 5 Jahren schaffen. Am 24. August jährte sich die Diagnose zum vierten Mal. Es könnte schlechter laufen. Und das ist in der Tat so. Ich will die Krankheit und das damit verbundene Leid in keinem Fall als Lappalie einstufen. Dennoch gibt’s genug andere Krankheiten, die ebenfalls an Tragik nix vermissen lassen, und zu viele Bekannte sind bereits nicht mehr unter uns, die bei meiner Diagnosestellung vermeintlich kerngesund waren und wahrscheinlich nie im Leben damit gerechnet haben, vor mir in Himmel oder Hölle einchecken zu müssen. Wer ein Glioblastom, einen Hirntumor, sein Eigen nennen darf, braucht sich nicht um die nächste Steuererklärung zu kümmern, denn hier liegt die durchschnittliche Überlebenszeit bei wenigen Monaten und der Kram ist ebenso wie ALS, Stand heute, nicht heilbar. Mist, da fällt mir gerade brühwarm ein, dass ich noch Unterlagen für die Steuererklärung raussuchen muss. Und so hat alles seine Nachteile. Die beste Krankheit taugt eben nix. Es gibt genug Leid auf der Welt, so dass man leicht verzweifeln und in einem Meer von Tränen baden könnte, nur hilft das niemandem. Auch ist Leid nichts Exklusives, daher ist die Frage „Warum ich?“ nicht zielführend. Warum die anderen? Interessanter ist die Frage, ob wir als Gesellschaft die richtigen Prioritäten setzen. Wäre ich Max Mustermann müsste ich noch ungefähr 34 Steuerklärungen machen, zumindest mit Wohnsitz im Saarland, denn das entspricht der durchschnittlichen Lebenserwartung. In Bayern wären es statistisch zwei Steuererklärungen mehr - das Saarland hat auch seine Vorzüge. Das hört sich ziemlich viel an, wenn man es allerdings visualisiert, wird’s überschaubar.
von Christian Bär 30. Juni 2020
Eigentlich würde ich meine Energie lieber dafür verwenden, mit meiner Familie Zeit zu verbringen. Zeit ist nämlich bei uns ein knappes Gut und dessen sind wir uns bewusst. Ich komme jedoch nicht umhin, einen weiteren Artikel zum vorgesehenen Intensivpflegegesetz IPReG zu schreiben, obwohl ich in den sozialen Netzwerken eigentlich schon alles Wesentliche dazu gesagt habe. Warum dann die Mühe? Weil ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren könnte, mich diesbezüglich nicht eindeutig zu positionieren und dieses Unrecht anzuprangern. Diese Zeilen dürften für einige aus den Reihen der CDU/CSU, insbesondere auch die Jüngeren unter Ihnen, schwer verständlich sein. Entschuldigen Sie bitte dieses Versäumnis. Begriffserklärung: Gewissen Ge·wis·sen - Substantiv, Neutrum [das] Ethisch begründetes Bewusstsein von Gut und Böse Eigentlich hätte ich Lust, den ganzen Entstehungsprozess dieses Gesetzes nochmal aufzuzeigen und das unerträglich arrogante Verhalten des Ministers Jens Spahn von der CDU. Allein die Interviews und Statements zu diesem Gesetzentwurf schreien zum Himmel und die Retrospektive zeigt, wie man hier agiert hat. Dies aufzuarbeiten ist selbst für meinen robusten Magen zu viel. Schon der erste Stapellauf des Referentenentwurfes hätte nach meinem Empfinden gereicht, um Jens Spahn wegen mangelnder Demut, mangelndem Respekt und fehlender Integrität die Amtseignung abzusprechen. Damit wäre er in Gesellschaft mit den Herren in meiner persönlichen „Hall of Shame im Amt“: Guttenberg, Scheuer, Maaßen und Dobrindt. Auch die Herren Rüddel, Laschet und Amthor eilen beachtlich flotten Schrittes Richtung dieser illustren Runde, in der sich jeder selbst am nächsten ist. Ich weiß, es sind nicht alle so frei von gesellschaftspolitischer Haltung und Verantwortung. Wer aber nicht im Schatten derer stehen möchte, sollte mit seinem Gewissen sein Herz in die Hand nehmen und dem Mandat die nötige Ehre erweisen. Es ist ein Privileg, diesem Land dienen zu dürfen. Man muss Werte leben, wenn man glaubhaft sein will, das ist ein Muss, wenn man solch eine Macht und Verantwortung hat. Vielleicht bin ich da auch zu altbacken. Churchill sagte einmal: „Ich habe nichts zu bieten als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß“. Ich schweife schon wieder aus. Scusi. Zurück zum Gesetzentwurf. Da das Geschreibsel mit den Augen äußerst anstrengend ist, beschränke ich mich somit auf das aktuelle Geschehen und trage mal zusammen. In meinem Blog finden Sie die weiteren Artikel zur Historie des Gesetzentwurfs. Noch eines vorweg: Ich sehe durchaus den Bedarf, die außerklinische Intensivpflege weiter zu professionalisieren, die Qualität zu steigern und sicherzustellen und den Spielraum für schwarze Schafe zu reduzieren. Dies wird mit diesem Gesetz jedoch nicht erreicht werden. Es ist ein verquertes Gesetz entstanden, Flickschusterei, eine Verschlechterung im Vergleich zum Status quo bei der Inklusion von Mitbürgern mit Behinderung, ein Angriff auf Grundrechte und eine Diffamierung der gesamten ambulanten Intensivpflege, unter dem Radar der Öffentlichkeit, denn dafür gäbe es keine Zustimmung. Jetzt aber zum aktuellen Geschehen. Der Gesetzentwurf ging am 27. Mai in die erste Lesung im Bundestag. Wie zu erwarten, hatte das Ganze wenig Tiefgang und die kritischen Details im Entwurf kamen nicht genügend raus, zumindest meiner Ansicht nach. In Summe kann man sagen, dass ausnahmslos alle Fraktionen gegen den Entwurf waren, sogar die SPD. An dieser Stelle meine aufrichtige Anerkennung an die SPD. Bravo. Jetzt gilt es den guten Willen in die Tat umzusetzen, liebe Genossinnen und Genossen, und sich nicht wieder von CDU/CSU glatt spülen zu lassen, Grundrechte sind keine Handelswaren. Sogar der AFD gelingt es bei diesem Gesetzentwurf eine liberalere und vernünftigere Haltung als die CDU/CSU einzunehmen. Spätestens an diesem Punkt sollte es der Union dämmern, dass hier was aus dem Ruder läuft und der Kahn Richtung rechtem Ufer läuft, mit Steuermann Jens auf der Brücke. In dieser ersten Lesung plädierte lediglich die Union für den Entwurf und warb vorbehaltlos. Die Reden von Herrn Rüddel und Herrn Iristorfer waren oberflächlich, flach und für die Abgeordneten ohne Detailkenntnis hörte sich das zustimmungswürdig an. Ich finde, man hätte es noch ergänzen können mit Sätzen wie „Wir sind doch nicht blöd. Wir lieben doch alle Menschen, alle, auch Behinderte, und wir, die gute Union, setzen uns dafür ein. Niemand hat die Absicht, Mauern zu errichten. Das neue Gesetz wäscht weißer als Weiß. Just do it and support our troops!“ Am Folgetag twittert Erwin Rüddel Folgendes: „Intensivpflege- und Reha-Gesetz (IPReG) auf gutem Weg. Endlich Wahlfreiheit [Daumen hoch] für Betroffene über den Ort der Versorgung. Mehr Qualität [Daumen hoch] in der Versorgung. Neue Lebensqualität [Daumen hoch] für Beatmungspatient durch mehr Engagement zur Entwöhnung von künstlicher Dauerbeatmung.“ Ich war im ersten Moment tief gerührt und geschüttelt, ergriffen und beeindruckt, dachte ich doch, die CDU hätte den Entwurf und ihr eigenes Verhalten reflektiert, den Entwurf angepasst und wahre Größe bewiesen. Dem war aber leider nicht so. Herr Rüddel lobpreist den aktuellen Entwurf trotz seiner unmenschlichen Regelungen. Eine völlig verklärte Darstellung des GKV-IPReG. In Herrn Rüddels Aufzählung fehlte meines Erachtens nur noch der Stopp der Klimaerwärmung ab sofort, Weltfrieden und die Speisung der Fünftausend. Die CDU/CSU und Jens Spahn haben eine seltsame Definition von Wahlfreiheit. Laut Sachverständigen droht Betroffenen mit häuslicher Intensivpflege, dass diese zukünftig monatlich 2.000 bis 6.000 Euro privat zuzahlen müssen und in Folge dessen in kürzester Zeit zu Sozialhilfeempfängern gemacht werden und dadurch ins Heim genötigt zu werden, wo diese Kosten nicht in Rechnung gestellt werden. Das Gesetz will „Fehlanreize“ beseitigen. Wenn dies für die Union kein „Fehlanreiz“ ist, was ist es dann? Man muss hier unterstellen: Absicht. In der öffentlichen Anhörung, welche nicht(!) öffentlich war, stellte Frau Westig folgende Frage an den Sachverständigen. Die Antwort habe ich angefügt. Quelle ist das offizielle Protokoll. Andere Experten äußerten sich ähnlich: Abg. Nicole Westig (FDP): Meine Frage geht an den Einzelsachverständigen Sebastian Lemme und an die BAGFW. Aufgrund der zukünftigen Leistungsbeschränkung der Krankenkassen auf die Erstattung lediglich der Leistung der medizinischen Behandlungspflege übt das IPReG mittelbar einen gewaltigen wirtschaftlichen Zwang auf die Betroffenen aus, die aktuell in ihrer Häuslichkeit versorgt werden. Teilen Sie meine Befürchtung, dass Betroffene deshalb ihre Häuslichkeit aufgeben und in eine vollstationäre Versorgung wechseln müssen? ESV Sebastian Lemme: Wir teilen Ihre Sorge. Wir sehen eine massive Verschlechterung der Leistung durch Einschränkung auf die medizinische Behandlungspflege gegenüber dem aktuellen Anspruch der Versicherten, der sich auf Behandlungspflege bezieht. […] Mit der jetzt vorgenommenen Verkürzung auf die Leistung lediglich der medizinischen Behandlungspflege sehen wir die Situation, dass durch körperbezogene Pflegemaßnahmen wir in die Situation kommen, dass Menschen, die sich in der Häuslichkeit versorgen lassen, mit massiven Eigenleistungsanteilen in einem Bereich von 2 000 bis 6 000 Euro pro Monat belastet werden könnten. Das führt dann im Ergebnis dazu, dass die freie Wahl des Versorgungsortes letztendlich unmöglich gemacht wird. Das ist eine ähnliche Situation, wie wir sie damals in vollstationären Einrichtungen erleben mussten. Deswegen fordern wir als zwingende Maßnahme in § 37c Absatz 1 Satz 3 das Wort „medizinische“ vor der Behandlungspflege zu streichen, damit die Versicherten wieder einen umfänglichen Anspruch auf Behandlungspflege haben, der sich patientenzentriert an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert und ihnen aufgrund ihrer Krankheit entsprechende, angepasste Pflegeleistung umfänglich zukommen lässt. Nun äußerten sich Vertreter aus CDU und SPD, es ändere sich nichts am Status quo, das sei lediglich eine begriffliche Anpassung. So schreibt Heike Baehrens von der SPD: „Intensivpflegebedürftige Betroffene, die sich nicht in vollstationären Pflegeeinrichtungen versorgen lassen, werden zukünftig durch das IPReG keine Leistungskürzungen erfahren und auch keine höheren Eigenleistungsanteile für die pflegerische Versorgung aufbringen müssen.“ Das ist mal ne Aussage. Und kommt er wieder, der Fluchtweg Konjunktiv. Baehrens weiter: „Sollte seitens der Krankenkassen die Neuformulierung zu Leistungskürzungen oder zu Leistungsverschiebungen zwischen Gesetzlicher Krankenversicherung und Sozialer Pflegeversicherung führen, wird die SPD dies unterbinden und sofort nachsteuern.“ Heißt: Frau Baehrens hält es für möglich und will notfalls nachsteuern, wenn die ersten bereits im Heim sitzen. Kann man nur hoffen, dass die SPD demnächst nicht in der völligen politischen Bedeutungslosigkeit verschwindet, denn dann gibt’s nix zum Steuern. Oder ist das Wählerakquise durch Nötigung?! Warum belässt man es nicht bei der bisherigen Begrifflichkeit, wenn sich doch angeblich nichts ändert? Man reagiert genervt und unterstellt Betroffenen Panikmache. Sag mal Freunde, geht’s Euch zu gut? Wem, glaubt Ihr, dient Ihr und die durch Euch erlassenen Gesetze? Wenn die Betroffenen selbst opponieren, dann sollte das doch eindeutig zum Nachdenken anregen, denn eigentlich sollten diese freudig feiern. Und wenn Ihr der Meinung seid, dass unsere Befürchtungen unbegründet sind, dann erklärt doch den Sachverständigen, Betroffenen und Verbänden wie vorteilhaft das Gesetz für alle Betroffenen sein wird. Tipp: „Liebe Betroffene, wir verstehen Eure Bedenken, Sorgen und Befürchtungen. Diese sind unbegründet, denn das Gesetz ist in diesem Punkt eine Verbesserung für Sie, weil…“ – Weil? In jedem Fall ist das Verhalten der Union beängstigend, da sie für den aktuellen Entwurf werben, obwohl ihnen bewusst ist, dass der Gesetzentwurf gegen die UN-Behindertenrechtskonvention verstößt. Prof. Dr. Theresia Degener, ehemalige Vorsitzende des UN BRK-Ausschusses: „Weder mit Art. 25 UN BRK (diskriminierungsfreie allgemeine und behinderungsspezifische Gesundheitsversorgung) noch mit Art. 26 UN BRK (inklusive und selbstbestimmte Rehabilitation) noch mit Art. 19 UN BRK (Selbstbestimmt Leben im inklusiven Sozialraum) ist der Gesetzentwurf GKV-IPReG vereinbar. Die Corona-Pandemie hat zudem gezeigt, dass stationäre Wohneinrichtungen nicht nur keine Schonräume sind, sie können in Pandemiezeiten zu Todesfallen werden.“. Erwin Rüddel schreibt in einem Kommentar auf Facebook Folgendes: „Pflegebedürftige haben jederzeit das Recht zu entscheiden, wo sie gepflegt werden möchten. Aber hat die Solidargemeinschaft der Beitragszahler nicht auch das Recht zu erfahren - wenn im Einzelfall monatlich von ihr bis zu 25.000,- Euro für Pflege bereitgestellt werden -, ob die Qualität der Pflege festgesetzten guten Standards entspricht? Im Heim wird dieser Standard durch Heimaufsicht und MDK sogar kontinuierlich überwacht.“. Herr Rüddel, mussten Sie bei Ihrem letzten Satz auch so lachen wie ich? Erstens sehe ich genau dieses Recht durch IPReG attackiert und zudem wird so getan, als wäre die Heimunterbringung der Garten Eden. Dass es zahlreiche Skandale in Heimen gab, und dass es auch dort, wie überall, schwarze Schafe gibt, bleibt völlig außen vor in der Diskussion. Gibt man bei Google die Suchbegriffe „Pflege Skandal“ ein, bekommt man eine umfangreiche Auflistung von Pflegeskandalen in den letzten Jahren in ganz Deutschland, wie zum Beispiel in Augsburg, Krakow, Güstrow, Untermerzbach, Oldenburg, Delmenhorst, Krautheim, Mülheim, Sonthofen, Bonn, Hannover, Ludwigsburg. Aber auch im kleinen Saarland gab es prominente Skandale in Saarbrücken, Völklingen und Elversberg. Die Fälle sind alle aus stationären Einrichtungen, hauptsächlich Pflegeheimen. Es kam zu Misshandlungen von Schutzbefohlenen, Körperverletzung, Betrug, Verwahrlosung, Drohungen, bis hin zu mehreren Mordversuchen und Morden. Es wurden zu wenige Mitarbeiter eingesetzt und abgelaufene Medikamente ins Essen gemischt, um Bewohner ruhig zu stellen. Verletzte wurden tagelang nicht versorgt, Windeln nicht gewechselt und hygienische Standards nicht annähernd eingehalten. Die Aufsicht in den Heimen hat in den meisten Fällen völlig versagt, teilweise trotz konkreter Hinweise, oder war sogar involviert. Natürlich ist dies keine vernünftige Datenbasis, um Aussagen treffen zu können und auf der Entscheidungen gefällt werden können. Die Datenlage beim Ministerium erscheint mir allerdings keinen Deut besser zu sein. Auf alle wesentlichen Fragen von beiden Anfragen im Bundestag lautet die Antwort „Dazu liegen keine Zahlen vor“. Dennoch zeigen diese zahlreichen Beispiele, dass es auch in Heimen krasse Verfehlungen gibt, und sicherlich ist die Dunkelziffer viel höher. Und ja, auch in der ambulanten Pflege, insbesondere in der Intensivpflege, gibt es schwarze und kriminelle Schafe, Ochsen und Schweine, im Vergleich funktioniert die Aufsicht aber besser. Denn zuhause ist die Aufsicht Ehemann, Ehefrau, Sohn, Tochter, Mama oder Papa, und intrinsisch motiviert, dass es dem Angehörigen gut geht. Diese unbezahlbare Triebfeder nennt sich Liebe. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, es gibt definitiv auch gute Heime und ein Großteil der Pflegerinnen und Pfleger in Heimen leisten aufopfernd bewundernswerte Arbeit, ebenso wie im ambulanten Bereich. Aber wer in seiner Argumentation solch einseitige Augenwischerei betreibt, dem muss man auch das andere wischen. Selbst wenn das Heim der Garten Eden wäre, will ich selbstbestimmt entscheiden können, ob ich dort leben möchte. Zudem ist eine stationäre Umgebung gerade aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr wesentlich gefährlicher und lebensfeindlicher, Stichwort multiresistente Keime, Corona und so weiter - insbesondere für beatmete Patienten. Ein Kernproblem sind sicherlich die Beatmungs-Wohngemeinschaften. Diese sind weder die eigene Häuslichkeit, noch unterliegen sie den Vorgaben von Heimen. Damit sind sie per se keine schlechte Betreuungsform, bieten aber anscheinend Potenzial für Abrechnungsbetrug. Nur werden alle ambulanten Wohnformen undifferenziert über einen Kamm geschoren und ins schlechte Licht gerückt. Der Großteil der ambulanten Dienste leistet einwandfreie Arbeit und eine stationäre Versorgung im Heim bietet wie schon beschrieben nicht per se eine Gewähr dagegen, menschenunwürdigen Zuständen ausgesetzt zu sein. In wie vielen ambulanten Intensivversorgungen, getrennt nach eigener Häuslichkeit und Beatmungs-WG, kam es im vergangenen Jahr zu Abrechnungsbetrug? In wie vielen Pflegeheimen kam es zum Abrechnungsbetrug? Wie viele Straftaten, die die körperliche Unversehrtheit betreffen, gab es im ambulanten und stationären Bereich? Auf diese und weitere essentielle Fragen hat die Regierung keine belastbaren Antworten. Liebe CDU, Sie lösen mit diesem Entwurf keine Probleme, sondern schaffen neue Probleme auf Kosten der Betroffenen. Die Kosten und das Personal sind die Triebfeder in diesem Gesetzentwurf und nicht das Wohl der Betroffenen. Sie formulieren in dem Entwurf klar die „Allokation“ der Pflegekräfte. Sie gehen davon aus, dass, wenn Betroffene ins Heim ziehen, die Pflegekräfte zukünftig in Heimen arbeiten. Sie gehen anscheinend davon aus, dass viele Betroffene ins Heim umziehen „wollen“, sonst wäre das keine relevante Größe, um im Gesetzentwurf begründend angeführt zu werden. Verbleiben wir kurz und spielen das durch. Wenn tatsächlich Wahlfreiheit besteht, wird aus der häuslichen Versorgung nur ein kleiner Bruchteil das Pflegeheim als bessere Option sehen. Aus den Beatmungs-WGs, wo es schlecht läuft, werden vielleicht einige Betroffene mehr ins Heim wechseln. Allerdings kommt dort eine Fachkraft auf vier Intensivpatienten im Dienst. Die Personalflut Richtung Pflegeheim dürfte dennoch gegen Null laufen. Warum? Weil alle ambulanten Pflegekräfte aufgrund der Zustände in Pflegeheimen, nicht mehr in der stationären Versorgung arbeiten wollen, diese können das mit ihrem Gewissen (Begriffserklärung siehe oben) nicht vereinbaren. Diese Fachkräfte gehen eher als Erntehelfer nach Bulgarien und kehren der Pflege den Rücken. Wahrscheinlich bezahlt man sie dort auch besser und bringt ihnen die nötige Wertschätzung entgegen. Alle(!) Beauftragten der Länder für Menschen mit Behinderungen fordern die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dazu auf, dem Gesetzesentwurf in der derzeitigen Fassung nicht zuzustimmen und geben eine gemeinsame Erklärung ab. H olger Kiesel, Sprecher der Konferenz der Beauftragten aus Bund und Länder für Menschen mit Behinderungen: "[...] Jeder und jede Abgeordnete, die diesem Entwurf zustimmen, stimmen für einen Gesetzesentwurf, der internationalem Recht widerspricht." Sollte das in Kraft treten, können Krankenkassen bislang häuslich betreute Intensivpatienten auf das Heim verweisen, wenn diese ihre Versorgung nicht sicherstellen können. Das ist eine wesentliche Verschlechterung - daran ändert auch der Zusatz, dass nachgebessert werden kann, nichts. Der Sicherstellungsauftrag muss weiter bei den Krankenkassen liegen. Zudem soll der Kostenträger entscheiden, wo die Reise hingeht – völlig inakzeptabel. Es gibt keine neutrale Instanz und selbst der MDK befürwortet die Vorgehensweise der Beurteilung in seiner Stellungnahme nicht. Wie gesagt, ich sehe dringenden Handlungsbedarf. Eigentlich lässt sich dieser auf die Beatmungs-WGs eingrenzen. Ich würde mir wünschen, grundlegend die außerklinische Intensivpflege zu professionalisieren im Sinne aller Betroffenen, unabhängig vom Ort der Unterbringung. Mehrheitsfähige Konzepte, die zukunftsweisend sind und den Menschen im Mittelpunkt haben und nicht die Kosten. Zudem gehört die Kommerzialisierung der Pflegeheime gestoppt, die Zustände in Heimen wesentlich verbessert und die Missstände dort umgehend abgestellt. Wir brauchen Bedingungen, die den Pflegeberuf interessant machen und aufwerten, so dass Perspektiven geschaffen werden und auch schulisch höher qualifizierte darin ihre Berufung finden. Die bestehende außerklinische Intensivpflege, um die uns das Ausland beneidet, gehört verbessert und ausgebaut und nicht zerschlagen. Das gibt’s nicht umsonst. Schon klar. Was darf ein lebenswertes Leben kosten? Ist künstliche Beatmung ein Showstopper für Selbstbestimmung und ist Intensivpflege der Break-Even-Point? Gibt’s Abwrackprämie für Familien, wenn sie ihren Behinderten entsorgen? Es wäre an der Zeit, dass Sie sich an Werten orientieren, nicht an Bilanzsummen von Unternehmen, Herr Spahn, mit 40 Jahren (Alles Gute nachträglich), ist der perfekte Zeitpunkt, Dinge zu überdenken und Weichen zu stellen. Behinderte gehören mitten in die Gesellschaft und nicht abgeschoben. Alles andere wäre Wasser auf die Mühlen der ewig Gestrigen. Jens Spahn gibt vor Missbrauch und Betrug verhindern zu wollen. Bin ich dabei. Aber nicht, indem man Betroffene ins Heim nötigt. Was kommt als nächstes? Kasernieren wir alle Ausländer in Deutschland zur Reduzierung von Gewalt gegen Ausländer und wer frei leben möchte, muss monatlich 2.000 Euro zahlen? Alles natürlich aus reiner christlicher Nächstenliebe. Die wirklichen Beweggründe von CDU/CSU und insbesondere von Jens Spahn bleiben im Verborgenen und öffentlich wird der Gesetzentwurf gefeiert und verklärt dargestellt. Kritik perlt völlig an Herrn Spahn ab, die überhebliche Herangehensweise ist unerträglich und man fragt sich, wem die IPREG Befürworter aus der Union dienen. Es entsteht der Eindruck, dass sie und ihre Erfüllungsgehilfen GKV-Spitzenverband und der MDK versuchen, das Gesetz im Eiltempo durchzupeitschen, die schwerkranken Betroffenen und die Öffentlichkeit über den Tisch zu ziehen und die entstehende Reibungshitze als Nestwärme verkaufen zu wollen. Diesen Donnerstag geht das Gesetz in die zweite und dritte Lesung im Bundestag. Danach ist es beschlossene Sache. Weitere Informationen finden Sie hier: Petition: www.change.org/intensivpflege Selbsthilfeverband: www.shvfg.de
von Christian Bär 11. April 2020
Mir geht’s gut und ich hoffe, das bleibt auch so. Gründe zum Jammern ob meiner Gesundheit und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für unser Leben gäbe es reichlich, auch ohne erschwerende Umstände, die uns von außen als zusätzliche, aber vermeidbare Lasten aufgebürdet werden. Ich versuche, es ohne Klagen zu ertragen. Wen sollte ich für meine Erkrankung auch anklagen? Jetzt kommt noch eine weitere Herausforderung in Form einer Pandemie, welche weitreichende Maßnahmen im Gepäck hat, und auch damit komme ich klar. Ist nicht schön, halt auch nicht ungefährlich, aber hopp, es ist wie es ist. Auch meine Familie, meine Freunde und meine Mitarbeiter machen eine gute Figur, agieren verantwortungsvoll, trotzen den Begleitumständen, Klatschen regelmäßig und sind nicht dem seelisch-moralischen Untergang geweiht, der einem droht, wenn man in einem der reichsten Länder der Welt mit highend Smartphone, Playstation, Netflix, vielleicht sogar Büchern und Unmengen Klopapier gebeten wird, doch mehr Zeit zu Hause mit der Familie zu verbringen. Der ein oder andere wird denken: „Netflix okay, aber ‚Familie‘, da hört der Spaß auf!“. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, wenn ich etwas oberflächlich und mit dem Tiefgang eines Surfbretts über die Lage der Nation rutsche. Natürlich sind die individuelle Situation und das Empfinden jedes Einzelnen unterschiedlich, und auch die Härten, insbesondere die wirtschaftlichen, aber auch die sozialen, wie zum Beispiel der Anstieg der häuslichen Gewalt oder die Vereinsamung älterer Alleinlebender, sind mir durchaus bewusst und sollen keinesfalls hier verharmlost werden. Zudem ist es nur meine flapsige Sicht, die man nicht teilen muss, und kein Mantra oder gar ein wissenschaftlich belegtes Patentrezept für was auch immer. Ich versuche nun mehrere Tage einen neuen Artikel zu schreiben, bin aber teilweise so genervt von diversen Dingen, die täglich aufs Neue reinschwappen, dass es mir schwer fällt sachlich zu bleiben. Zudem sind meine Gedanken so vielfältig und die Überlegungen für mich nicht hinreichend abgeschlossen, dass es mir unmöglich erscheint, diese verkürzt darzustellen. Andere tuen sich da weniger schwer. Mit wenig Tiefgang, aber schön inbrünstig, röhren derzeit gefühlt ziemlich viele mitteilungsbedürftige Mitmenschen insbesondere durchs Internet, in diversen Formaten und auf unterschiedlichen Plattformen, und teilen dort ihre Sicht der Dinge bezüglich der Pandemie mit. Häufig ist es ungeschickt, halbwahr, pseudowissenschaftlich anmutend, verschwörungstheoretisch, hetzend, jammernd, besserwisserisch, dumm oder peinlich, auch Kombinationen sind möglich. Da schreibt ein Arzt einem anderen Arzt einen Brief als Reaktion auf sein veröffentlichtes Video, in dem er vorschlägt, alle vermeintlich an Covid-19-Infektion Verstorbenen zu obduzieren, um zu prüfen, ob sie denn tatsächlich daran verstorben sind. Sonst gibt’s keine Erkenntnis im Video, lediglich diese Annahme, dass dies sinnvoll wäre. Nun schreibt, wie schon erwähnt, ein anderer Arzt ihm, dass er seine Sicht teilt, was den Angeschriebenen motiviert ein weiteres Video zu veröffentlichen. In diesem Video zeigt er sich begeistert, findet den Brief „Hammer“ und man hat das Gefühl, als hätte er den Jahrhundertskandal aufgedeckt. Mit Aussagen wie „hat man Angst die wahren Todesursachen […] zu erfahren?“, „könnte es sein, dass die Zahlen der Corona-Toten dann dahinschmelzen wie Schnee in der Frühlingssonne?“ und „Ich bitte die Bevölkerung das Schreiben auf sich wirken zu lassen.“ wird fleißig angeheizt im Video. Und weil zwei Ärzte drin vorkommen (von denen einer nicht genannt werden möchte), muss da ja was dran sein, und so kommt Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker. Mal unter uns: hätte ein Menschenrechtler ein Video veröffentlicht, worin er behauptet, dass der IS (Islamischer Staat) vermutlich ein ganz herzlicher weltoffener Gastgeber sei und ein zweiter Menschenrechtler wäre ähnlicher Ansicht gewesen, dann hätten Sie ja auch nicht, trotz Reisewarnung, direkt im Einsterne plus Hotel in der IS-Hochburg Raqqa zwei Wochen all inclusive gebucht und sich mit Bikini und Martini ans ausgetrocknete Poolbecken gelegt. Man sollte immer in Betracht ziehen, dass auch zweimal Falsch kein Richtig ergibt. Es mag vielleicht auch fachlich stimmen, nur ist es eine stark verkürzte Sicht. Zudem würde es nicht reichen, nur die vermeintlich am Virus Verstorbenen zu untersuchen, sondern alle Verstorbenen des Landes. Vielleicht würde sich die Sterberate sogar eher erhöhen als reduzieren. Aber darum geht’s mir nicht. Es geht darum, dass ein komplexer Zusammenhang angemessen dargestellt werden sollte und, auch wenn unbeabsichtigt, keine kruden Theorien befeuern sollte. Zu häufig melden sich nun irgendwelche Leute zu Wort, denen, vermutlich zurecht, bis jetzt keiner nennenswert zugehört hat. Und auch ein Studium oder eine Promotion schützen vor Irrtum, Dummheit, Geltungsbedürftigkeit oder geistiger Brandstiftung nicht, siehe Björn Höcke. Und wenn Professor Bhakdi sich in seinem Video staatstragend die Brille in Zeitlupe in seinem selbstdarstellerischen Video von der Nase zieht und „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger“ sagt und aus seinem offenen Brief an Frau Dr. Merkel vorliest, rollen sich mir wahlweise die Fußnägel zusammen, ich muss herzlich lachen oder ich schlafe spontan ein. Er spielt auf der üblichen Schlaumeierklaviatur, will auch mal was sagen und baut Deiche erst, wenn das Wasser erwiesenermaßen an der Baumkrone kitzelt. Schwimmenlernen mit Professor Bhakdi. Veröffentlicht werden diese Videos von Kanälen, die auch Herrn Höcke dufte finden und die von Manipulation durch die Mainstream-Medien faseln. Beängstigend und erstaunlich, wie schnell sich solche Videos verbreiten, sorglos geteilt werden und dann als Steigbügel für Verschwörungstheorien dienen. Auch die Frage nach der Wertigkeit von Leben finde ich erschreckend. Wer will es sich anmaßen, darüber zu entscheiden, wie wertig Leben ist? Wenn nur ein Einziger an dem Virus gestorben wäre, wären dann die getroffenen Maßnahmen gerechtfertigt, wenn die Chance bestünde, wenigstens ein Leben zu retten oder braucht es eine gewisse Menge an drohenden Todesopfern? Wo würde die Grenze liegen, vielleicht bei anzunehmenden 100.000 Toten und sind dann 95.000 zu wenig? Ein Leben zu opfern ist aber verhältnismäßig, dafür machen wir nichts dergleichen und belasten die Wirtschaft nicht, oder? Wie wäre es, wenn es Ihr Kind ist, das stirbt? „Geh mein Kind, das musst du verstehen, deine Rettung wäre echt teuer, das wäre unverhältnismäßig. Sei nicht traurig, Ich passe auch auf Hasi auf, wir sehen uns im Himmel“. Kaum zu ertragen der Gedanke. Aber im Prinzip läuft das heute schon so. Die pharmazeutische Industrie forscht nach Medikamenten, die Gewinne bringen und nicht für zum Beispiel seltene Erkrankungen, welche zwar häufig grausam für die Betroffenen sind, aber eben keine Gewinne versprechen. Sie werden auf dem Altar unserer konsum- und gewinnorientierten egoistischen Gesellschaft geopfert, um die göttlichen Aktionäre gütig zu stimmen. Ebenso wie Jens Spahn die Pflegebedürftigen ins Heim zwingt und die Mär von „Es ist nur zu Ihrem besten und ich habe Sie gerettet“ erzählt. Man opfert Grundrechte und die Schwachen, weil man Kosten sparen will. Alle schauen weg beziehungsweise bekommen es nicht mit, solange sie selbst nicht betroffen sind. Ab auf den Altar. Aussagen, dass die Patienten alt waren oder eine Vorerkrankung hatten und der Infekt nur der Tropfen war, der das Fass des Lebens zum Überlaufen brachte, finde ich erschreckend. So berichtet welt.de „Der renommierte Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel hält die Angst vor Corona für übertrieben. Mit seinem Team obduziert er die Toten in Hamburg, und er stellt fest: Das Virus sei in diesen Fällen nur der letzte Tropfen gewesen.“. Der Artikel wird nicht besser, wenn man ihn ganz liest, die Tonalität ist zum Schuhe werfen. Der ursprüngliche Artikel erschien in der Hamburger Morgenpost und ist ebenfalls ebenerdig. Erstens weiß zum Glück keiner, wann das Fass voll ist, und zum anderen: selbst wenn Sie ohne Covid-Erkrankung nur einen Tag länger gelebt hätten, rechtfertigt das keine Unterlassung lebensrettender Maßnahme und Ihres Schutzes. Es gibt keinen Preis für Leben, auch nicht für Stunden. Wenn Herr Püschel morgen bei einem Zusammenprall mit einem Auto tödlich verunglückt, ist das Auto dann der allerletzte Tropfen, der sein Fass zum Überlaufen bringt? Was macht das Leben eines vermeintlich Gesunden objektiv gesehen lebenswerter als das eines Kranken? Nichts! Ich bin todkrank und benötige Intensivpflege, trotzdem, oh Wunder, lebe ich gerne und gerne möglichst lange, und damit bin ich nicht allein. Das Problem in diesem Fall ist allerdings nicht Her Püschel und seine aus ethischer Sicht mehr als unglückliche Aussage, sondern die verkürzte reißerische Darstellung der Morgenpost und das Aufwärmen durch welt.de, denn Herr Püschel hält die getroffenen Maßnahmen durchaus für sinnvoll, was in der Berichterstattung nicht erwähnt wird. Natürlich muss Kritik erlaubt sein und auch die freie Meinungsäußerung sowie die Pressefreiheit sind höchste Güter. Gerade der Diskurs bietet Mehrwertpotenzial, wenn er in der Sache und lösungsorientiert ist und wenn jeder Debattierende seine Sicht mit Demut hervorbringt, weil er ein mögliches Scheitern seiner Darbringungen im direkten Diskurs, dem Gesamtkontext oder über die Zeit für zulässig erachtet und einräumt, dass das Scheitern der eigenen Argumentation gar als wünschenswert erachtet wird, sollten sich andere oder neue Sichten als dem Thema dienlicher oder der Wahrheit näher erweisen. Wer so verfährt, dient vornehmlich der Sache und verdient Respekt und Anerkennung, bekommt diese jedoch selten. Die Selbstherrlichen, Lauten, Dominaten und Manipulativen setzen sich häufig durch, meistens um vorrangig ihre eigenen Ziele zu erreichen. Damit diese argumentativ nicht scheitern, bestimmen sie häufig die Themen, passen das Thema des Diskurses ihrem Argumentationsgesang an, welcher gut geprobt öffentlich zum Besten gegeben wird. Die Antworten auf die Fragen scheinen häufig sogar schlüssig, nur ist die Fragestellung nicht sachdienlich. Manchmal ist auch kein böser Wille dabei, eher sogar das Bestreben Gutes zu tun. In diesem Fall wäre man gut beraten vor- und umsichtiger zu formulieren, um Raum für zugewonnene Erkenntnis zu lassen. Zum Beispiel nervt die schier unendliche Diskussion um das Tragen von einem Etwas vor Mund und Nase. Politiker ziehen einen Teil der Wahrheit heran, um zu argumentieren, warum die Benutzung nicht angezeigt ist. Üblicherweise wird korrekt erklärt, dass das Tragen eines Mundschutzes ohne besondere Schutzklasse zwar Tröpfchen beim Träger zurückhält, aber Aerosole mit dem Sars-CoV-2-Erreger durchlässt und sie somit nicht zum Schutze vor Infektion durch Atemluft geeignet ist. Und das war`s, damit wird versucht zu sagen „Bringt nix!“, was aber wohl in Gänze nicht stimmt. Dann wird noch gern gesagt, es gäbe dazu auch noch keine eindeutigen Studien. Nur weil es keine Studien gibt, heißt es jedoch nicht, dass es in der Summe keinen Effekt hätte. Zudem wird jetzt vermutlich keinem durch das freiwillige Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) die Nase abfallen. Ich persönlich gehe in der Annahme, dass eine solche Empfehlung versucht wird zu vermeiden, weil man befürchtet erklären zu müssen, dass überhaupt keine Masken verfügbar sind. Und natürlich würde es die Übertragung hemmen, würde ein Großteil der Bevölkerung im öffentlichen Raum MNS tragen, gerade weil man andere infizieren kann, bevor sich bei einem selbst Symptome zeigen. Ob das letztendlich Sinn macht, relevant ist und verhältnismäßig steht auf einem anderen Blatt. Bereits seit Jahren ist bekannt, dass es Engpässe bei einer Pandemie geben wird. Das RKI wies bereits 2012 explizit auf den möglichen Mangel an Schutzausrüstung hin. Warum hat man hier nicht Vorsorge getroffen? Man ist sicherlich geneigt zu entgegnen, dass es nicht vorhersehbar war und die Eintrittswahrscheinlichkeit zu gering. Dann frage ich mich allerdings, warum wir ab jetzt diesbezüglich Krisenvorsorge bei Schutzausrüstung betreiben wollen, dann wäre es ja auch früher gegangen. Jens Spahn zum Beispiel turnt jetzt mit Presse in einem Verteilzentrum herum und inszeniert sich als Macher. Hätte er mal früher gemacht! Aber da war es nicht populär... Warum schloss man nicht mit innereuropäischen Firmen Verträge, dass diese sich verpflichten, in Krisenfällen binnen zwei Wochen eine nennenswerte zu definierende Menge an Masken zu produzieren und hält nationale Reserven für zwei Wochen vorrätig. Vielleicht ist mein Vorschlag auch nicht so einfach umsetzbar und es gibt bessere. Aber bis dato nichts desgleichen zu haben und sogar medizinisches Personal klatschend ins Messer laufen zu lassen, ist ohne Worte. Sich dazu noch als Schutzpatron der Pflegekräfte und des medizinischen Personals zu inszenieren ist beachtlich peinlich, hat er doch wesentlich dazu beigetragen, dass die Personalsituation im Bereich der Pflege und im medizinischen Bereich im internationalen Vergleich beschämend schlecht ist, die Substanz schwindet, der Kostendruck immens ist, Grundrechte in Frage gestellt werden und die Industrie hofiert wird und unreguliert treiben kann was sie will. Auch bei Medikamenten und Antibiotika sind wir völlig abhängig von China und Indien. Mein Pulsoximeter schlägt Alarm, ich muss das Thema Jens Spahn damit für heute abschließen. Zu meiner Freude spiegeln die genannten Beispiele nicht das Gros der Menschen und Verantwortungsträger wider und es ist eben leicht, besserwisserisch zu agieren, wenn man keine Verantwortung trägt und keinen Handlungsdruck hat. Ich bin zwar der Meinung, dass gerade diese Wahrnehmung von Verantwortung unter großem Druck zu den wichtigsten Aufgaben von Amtsinhabern gehört, dennoch sollte das nicht unsere Dankbarkeit schmälern, wird diese Aufgabe vorbildlich wahrgenommen, was auf den allergrößten Teil sicherlich zutrifft, ungeachtet aller politischer Couleur und den damit verbundenen politischen Differenzen. Danke. Die Lockerung der Maßnahmen ist in Sicht und ich hoffe sehr, dass die letzten Wochen genutzt wurden und es ein überlegtes strategisches Vorgehen gibt, welches ein Ziel verfolgt, und wir nicht einfach lockern und mal schauen was passiert. Ich hoffe, wir nutzen auch die Chance das Gute zu bewahren, das Miteinander mehr zu schätzen und auch technischer Innovation offen zu begegnen. Darin liegen riesige Möglichkeiten für uns und wir sollten diese nutzen, anstatt sie zu verteufeln. Wir sollten unseren Gewählten mehr Vertrauen schenken als den Konzernen und nicht bei der freiwilligen Nutzung einer App Staatskontrolle vermuten, gleichzeitig aber Konzernen wie Google, Apple, Amazon, Facebook und wie sie alle heißen, unser halbes Leben mitteilen und sie in der Hosentasche herumtragen, auf den Nachttisch legen, mit ihnen Sport machen, bezahlen, navigieren, fotografieren, chatten, telefonieren, bestellen, das Haus steuern und überwachen, den Rasen mähen, die Wohnung staubsaugen und gleichzeitig kartografieren, den Puls messen, Kalorien zählen und das Gewicht messen. Die Lockerung wird einen Preis haben, Leid verursachen und Leben fordern. Dennoch können wir uns nicht in einem Kokon mit Internetverbindung vor dem Tod schützen und uns nur virtuell entfalten. Wobei man bereits vor der Pandemie das Gefühl hatte, dass manch einer bereits in einem Kokon lebt und die virtuelle Realität Priorität genießt. Fuhr man mittags an Bushaltestellen vorbei, rauchte erfreulicher Weise keines der wartenden Schulkinder mehr, wohl aber weil das Verlangen nach der Nutzung des überdimensional großen Smartphones, für das man beide Hände braucht, größer war. Da unterhielt sich auch niemand und ich ertappte mich tatsächlich bei der Frage, ob nun das Smartphone gefährlicher als die Zigarette ist und ob wir einen Aufdruck auf den Handys brauchen mit abschreckenden Bildern von vereinsamten Menschen und Warnhinweisen wie „Handys enthalten Kobalt, dafür müssen Menschen in Afrika sterben“, „Handynutzung kann schnell süchtig machen: Fangen Sie gar nicht erst an!“, „Smartphonenutzung fügt Ihnen und Ihrem sozialen Umfeld schwere Schäden zu“ oder „Rauchen kann Ihnen dabei helfen, die Handynutzung zu reduzieren“. Ich drifte ab, pardon. Wir als Gesellschaft bräuchten dringend einen Diskurs, wie wir miteinander leben wollen, wie wir wirtschaften wollen und zu welchem Preis. Wir müssen uns ehrlich und offen überlegen, welchen Wert Leben für uns hat, und zwar jegliches Leben, nicht nur unser eigenes. Europa könnte ein echt cooler Schuppen sein, ist aber derzeit weit entfernt davon. Wenig innovativ, nicht solidarisch, veraltet, unökologisch, wehrlos, unentschlossen und populistisch. Einige nehmen nur und sind rückwärtsgewandte Antieuropäer, wir lassen es zu und hofieren sie. Es ist Aufgabe von Parteien, mutige zukunftsorientierte Konzepte zu entwickeln und diese offen und ehrlich zu diskutieren, zu einen, nicht zu trennen, Anreize zu schaffen und bessere Argumente zuzulassen. So wie es die letzten Jahrzehnte gelaufen ist, darf es nicht weitergehen, sonst fahren wir den Karren an die Wand. Wir brauchen erstrebenswerte Visionen und zielgerichtetes konkludentes selbstloses Handeln und keine schmutzigen Deals, die einen Sommer halten, die Welt nicht besser machen und den Despoten dieser Welt Oberwasser verschaffen. Wenn das, was wir machen, gut wird, folgen andere unserem Weg. Die Richtung erfordert parteiübergreifenden Konsens, denn in einer Legislaturperiode wird das nicht zu schaffen sein. Vor den Erfolg hat der liebe Gott den Schweiß gesetzt. Irgendwer muss anfangen, warum nicht wir.
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